Beim Baden in der Tyrell Bay sahen wir nicht nur Fische

Vergangene Woche klarierten wir in Union Island aus, da eine Wetterstörung (die zu einem Hurrican hätte führen können) vorhergesagt war, die uns für einige Tage Südwind und für einen Tag sogar Westwind bescheren sollte. Da unser Visum für St. Vincent & die Grenadinen sowieso fast ausgelaufen war (nach 90 Tagen muss man mindestens für einen Tag ausreisen), beschlossen wir, diese Wettersituation in Carriacou auszusitzen, dort für ein paar Tage einzuklarieren und dann nach Union Island zurückzukehren.

So füllten wir also in Union Island bei einem netten Zollbeamten, der auf seinem Handy die ganze Zeit Rap-Musik hörte, das Formular mit vier Durchschlägen aus, bezahlten bei einem anderen Beamten unsere Cruising Permit und gingen danach noch mit einem der Durchschläge zum Immigration-Beamten und „schon“ war es geschafft.

Zwar hatte sich die Wettervorhersage am Montag geändert, es sollte kein Hurrican entstehen und es war fast kein Süd- und Westwind mehr angekündigt, so dass wir auch in Union Island hätten bleiben können, aber da wir nun schon ausklariert hatten, segelten wir dennoch nach Carriacou. Mit angenehmen 13 Knoten Wind und so gut wie keinen Wellen wurde es ein angenehmer Törn und wir klarierten gleich Nachmittags noch in Carriacou in der Tyrell Bay ein.

Die Bucht ist riesig, es läuft überhaupt kein Schwell herein und nachts schliefen wir wie die Babys. Das Wasser ist trotz der vielen Boote wunderbar klar und wir beschlossen, ein paar Tage zu bleiben, etwas am Boot zu arbeiten und wenn es wieder Wind hat, zurück nach Union Island zu fahren.

Doch ein paar Tage später fanden wir es schon nicht mehr ganz so toll, denn hier ist Windgeneratorhausen. Wir hatten uns ja beim Bootskauf gegen einen Windgenerator entschieden, weil diese fast alle einen ziemlichen Lärm machen (falls einer von Euch schon mal mitten in einem Windpark an Land stand, dann weiß er, wovon ich rede). Doch was nutzt es einem, wenn man selbst keinen Windgenerator hat, leider aber alle Boote um einen herum. Fast täglich kam ein neuer Segler an und jeder hatte noch einen lauteren Windgenerator als sein Vorgänger. Teilweise hatten diese auch noch ausgeschlagene Lager, so dass sie richtig viel Lärm machten.

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Aber wenn ich schon dachte, dass dies ein Höllenlärm sei, dann sollte ich Freitag Nacht eines besseren belehrt werden. Um 21:15 Uhr ertönte urplötzlich aus einer Bar am Strand ohrenbetäubende „Musik“ (wir würden es eher als ein lautes Bassgestampfe mit gebrüllten unzusammenhängenden Urlauten nennen), die uns bis um kurz nach 4:00 Uhr morgens beglückte. Ich lag irgendwann völlig verzweifelt im Bett, weil ich hundemüde war, aber leider aufgrund dieses Lärms nicht einschlafen konnte. Wir waren am nächsten Tag ganz schön gerädert.

Doch es sollte noch besser kommen. Denn als einen Tag später, kurz bevor ich mein tägliches Bad nehmen wollte, ca. 10m von unserem Boot entfernt eine tote Ziege durchs Wasser trieb, hatte ich endgültig die Schnauze voll.

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So fuhren wir gestern zu einer kleinen Nachbarinsel, von der uns schon mehrere Bekannte berichtet hatten, dass man dort kitesurfen könne. Und das konnten wir dann tatsächlich auch. Um 10:00 Uhr warfen wir unseren Anker vor White Island und 15 Minuten später waren wir an Land und bauten unseren Kite auf. Leider hatten wir jedoch nicht allzu viel Wind und die See war hier recht kabbelig, so dass dies sicherlich nicht unser neuer Lieblingskitespot wird. Aber dafür waren wir ganz alleine auf der Insel, es gab einen schönen Sandstrand und überall um die Insel herum sind Riffe, an denen man toll schnorcheln kann. So verbrachten wir einen wunderschönen Nachmittag auf White Island. Doch leider konnten wir hier nicht über Nacht bleiben, denn es lief ein riesiger Schwell um die Insel herum, so dass unsere Silence wie wild auf den Wellen schaukelte.

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Wir entschieden uns, noch eine halbe Meile nach Osten zu Saline Island zu motoren. Dort lagen bereits zwei Boote in der kleinen Bucht und wir warfen unseren Anker genau zwischen den beiden. Aber dieser wollte und wollte nicht halten. Erst beim dritten Versuch schafften wir es und lagen friedlich zwischen den beiden Booten (ohne Windgeneratoren) im türkisfarbenen 2m tiefen Wasser. Die Wellen rauschten an den Strand und es war alles total friedlich. Doch leider konnten wir auch hier nicht über Nacht bleiben. Denn als Kai nach unserem Anker schnorchelte, sah er, dass dieser sich überhaupt nicht eingegraben, sondern lediglich hinter einem kleinen Stein verhakt hatte. Der Grund in der ganzen Bucht war übersät mit Steinen und Korallen und lediglich an einer kleinen Stelle gab es schönen Sand und an dieser Stelle lag der Anker eines unserer Nachbarn. Somit legten wir uns noch für zwei Stunde vorne aufs Deck und genossen die himmlische Stille bevor wir wohl oder übel wieder zurück nach Windgeneratorhausen fuhren.

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Normalerweise hätten wir uns jetzt auf den Rückweg nach Union Island gemacht, doch wie es ein toller Zufall will, musste unser neuer Hockenheimer Freund Mathias, geschäftlich nach USA fliegen und hat uns angeboten, dass er uns gerne Ersatzteile oder ähnliches mitbringen kann, falls wir dringend etwas benötigen. Da schauten wir natürlich gleich mal unsere lange Liste an Dingen durch, die hier in der Karibik entweder gar nicht oder nur für horrende Preise zu bekommen sind und wählten das am dringendsten und am leichtesten transportierbare aus: ein iPad. Da meines vor ca. einem halben Jahr den Geist aufgegeben hatte und man hier nur neue kaufen kann, bestellten wir gleich über ebay ein gebrauchtes. Das wird dann mein diesjähriges Geburtstagsgeschenk sein, anstatt eines neuen Kiteboards.

So werden wir uns vermutlich morgen auf den Weg nach Grenada machen, um Mathias dort am Samstag zu treffen und unser „neues“ iPad in Empfang zu nehmen :-).

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Glücklicherweise legte der Wind in den letzten Wochen wieder etwas zu, so dass wir recht oft kiten konnten und unsere Tage nicht nur der Bootspflege oder anderen Arbeiten widmen mussten 😉

So kiteten wir fast jeden Tag ein paar Stündchen und probierten uns auch an einigen neuen Tricks. Doch das war leider nicht so eine gute Idee. Denn während Kai weiterhin an seinen jumped Transitions mit dem Surfbord arbeitet (dabei „olliet“ man das Surfboard in die Hand, hebt leicht von der Wasseroberfläche ab, dreht das Bord dann und wirft es vor sich aufs Wasser; idealerweise sollte man dann mit den Füßen auf dem Surfboard landen, aber der letzte Teil klappt bei ihm leider noch nicht so ganz), versuchte ich mich an Frontrolls. Die ersten beiden klappten überhaupt nicht, weil ich mich nur halb drehte, doch dann klappte es immer besser. Bis ich dann plötzlich bei der Landung irgendwie die Bar verrissen habe und der Kite mit voller Wucht aufs Wasser knallte und es ihn fast komplett in zwei Teile zerriss. Ich traute meinen Augen nicht: unser schöner nur 18 Monate alter Kite war kaputt!

Doch es war ja klar: wenn endlich mal nichts am Boot kaputt geht, muss natürlich etwas anderes kaputt gehen. Aber dass es ausgerechnet einer unserer Kites sein musste, stimmte uns schon sehr traurig. Zumal es ein sehr großer Riss war und wir uns nicht sicher waren, ob wir überhaupt genügend Tape haben, um in zu reparieren.

So kramten wir also am nächsten Tag all unsere Kitereparatur-Sets und unser Spi-Tape zusammen, doch es reichte natürlich nicht. Aber wir hatten Glück im Unglück, denn Jean-Yves hatte auch noch einiges an Spi-Tape und so schafften wir es tatsächlich alle Risse zu kleben. Dann bügelten wir, mit einem ebenfalls von Jean-Yves zur Verfügung gestellten Bügeleisen, nochmals über das Tape, damit der Kleber auch wirklich hält und schließlich nähten wir einmal rund um das gesamte Tape. Alles in allem war das ein Ganztagesprojekt und erst abends um 17 Uhr konnten wir unseren reparierten Kite wieder weg packen. Doch nun blieb noch abzuwarten, ob die Reparatur auch wirklich hält.

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Und vorgestern war es dann endlich so weit, dass wir den passenden Wind hatten, um den Kite zu testen. Langsam pumpten wir ihn auf, starteten ihn und fuhren die erste halbe Stunde ganz vorsichtig. Dann wurden wir etwas mutiger und trauten uns auch wieder zu springen und glücklicherweise hielt er auch dieser Belastungsprobe stand. Die Reparatur ist zwar sicherlich nicht für die Ewigkeit bestimmt, aber wir hoffen, dass sie so lange hält, bis wir irgendwie bzw. irgendwo die Möglichkeit haben einen neuen Kite zu kaufen.

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Und wir sind sehr glücklich, dass wir nun weiterhin hier kiten können, denn es wäre sehr schade gewesen, wenn wir nun ausgerechnet hier, an einem meiner absoluten Lieblingskitespots, nicht mehr hätten kiten können. Leider scheine jedoch nicht nur ich diesen Platz sehr zu lieben, sondern auch jede Menge andere Leute. Während wir vor einigen Wochen mit Jean-Yves und nur einem anderen Boot in der Bucht lagen, waren vor einigen Tagen plötzlich 19 (!) Boote in der Bucht. Und mindestens auf der Hälfte der Boote befanden sich Kitesurfer. Dementsprechend voll war es dann auch am Strand und im Wasser und es waren die verschiedensten Nationalitäten vertreten.

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Lustig war, als uns irgendwann ein Franzose ansprach und fragte, wo in Deutschland wir denn herkämen. Ihm kam unser Dialekt so bekannt vor und er erzählte, dass er in der Schule zum Schüleraustausch in der Partnerstadt von Luneville, nämlich Schwetzingen, gewesen war (für alle, die nicht aus unserer Region kommen: Schwetzingen liegt ca. 10km von Hockenheim entfernt). Da staunten wir nicht schlecht. Aber als er sich dann auch noch an einen Satz erinnerte, den er damals gelernt hatte und zu uns sagte: „Am Dienschtag wor i in Monnem!“, da klappte uns dann doch die Kinnlade herunter. Unglaublich, oder?

Aber es sollte noch besser kommen. In den ganzen neun Wochen, die wir nun schon hier verbracht hatten, waren uns noch nie Deutsche begegnet. Und so freute ich mich, als ich ein paar Tage später am Strand immer mal wieder deutsche Wortbrocken aufschnappte. Ich machte mich auf die Suche nach der Quelle und stieß auf drei andere Kiter, die sich teilweise auf deutsch und teilweise auf englisch miteinander unterhielten. Wir begrüßten uns gegenseitig und bald wurde mir natürlich die typische Frage nach unserer genauen Herkunft gestellt. Da ich bereits gehört hatte, dass es sich auf jeden Fall um Badenser oder eventuell sogar um Kurpfälzer handelt gab ich zur Antwort: „Aus de Näh von Monnem!“ Daraufhin sah mich Mathias erstaunt an und sagte: „ Ah nä ehrlisch, isch bin aus Hoggene!“ Ich dachte, das kann nicht wahr sein. Musste ich mich jetzt nach einer Kamera umsehen? War ich versehentlich bei „Verstehen Sie Spaß?“ gelandet? Man kann doch nicht auf einer winzigen Insel in der Karibik auf einen Hockenheimer treffen. So antwortete ich langsam: „Isch a!“ und da sah ich, wie er mich völlig ungläubig ansah. Wir waren beide total „geplättelt“, wir wir Hoggemer es treffend beschreiben würden.

Natürlich wurden wir sofort auf einen Drink auf das Boot von Mathias eingeladen, wo wir dann gleich noch zum Mittagessen blieben und uns erst am späten Nachmittag verabschiedeten. Ihr könnt Euch nicht vorstellen wie toll das war. Wochenlang hatten wir fast ausschließlich französisch gesprochen, welches mir bei weitem nicht so flüssig über die Lippen kommt wie englisch, wo ich ständig im Kopf Verben durchkonjugieren muss, um die richtige Form zu finden, mir überlegen muss, ob ein Substantiv nun weiblich oder männlich ist, die Vergangenheitsform von diesen blöden unregelmäßigen Verben erraten muss,… Das ist für mich teilweise so anstrengend, dass ich nach einem zweistündigen Gespräch völlig k.o. bin.

Und nun konnte ich „schwätze, wie ma de Schnawwel gwachse isch“! Das war so befreiend und ich fühlte mich so wohl. Auch gab es endlich mal völlig andere Gesprächsthemen als normalerweise. Wir sprachen nicht viel über unsere Boote und unsere Route, sondern tauschten hauptsächlich Erinnerungen an Hockenheim aus. Da Mathias einige Jahre älter ist als wir, taten wir uns anfangs mit gemeinsamen Freunden und Bekannten schwer, doch als Kai dann erwähnte, dass er früher bei den Segelfliegern war und ich erzählte, dass ich mal in der Volksbank gearbeitet hatte, fanden wir dann doch einige gemeinsame Bekannte. Und so verging der Nachmittag wie im Flug. Wir scherzten, flachsten, unkten, … Alles Dinge, die man in einer fremden Sprache oder auch in Hochdeutsch so schwer tun kann.

Es ist unbeschreiblich welch große Verbundenheit man mit einem anderen Menschen spüren kann, nur weil man den gleichen Dialekt spricht! Ich war schon immer stolz auf meinen Dialekt, auch wenn er sicherlich einer der grässlichsten Dialekte Deutschlands ist. Aber diese Erfahrung bestärkt mich umso mehr darin, dass es super ist, wenn man einen Dialekt sprechen kann. Also liebe Leute, gebt doch bitte dieses wichtige Gut an eure Kinder weiter, damit die Dialekte nicht aussterben, und wir Kurpfälzer uns weiterhin in der großen weiten Welt auf Anhieb erkennen und verstehen!

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