Tag 24 – Der Countdown läuft

Nur noch 3 Tage und 355 Seemeilen bis nach Antigua. Aber nach den ganzen harten Tatsachen, die Kai gestern zu berichten hatte, muss ich mich nochmal mit etwas mehr Romantik melden: Nachdem gestern den ganzen Tag wieder Schauer über uns hinwegzogen und wir Wellen aus allen Richtungen hatten, zeigt sich das Wetter heute endlich mal wieder von seiner schönen Seite. Es hat gerade 30°C, 15 Knoten Wind und die Sonne lacht vom Himmel. Hätte es nicht die ganze Zeit so sein können?!
Heute Nacht konnte man somit auch mal wieder den Sternenhimmel sehen. Das war lediglich zu Anfang unserer Atlantiküberquerung der Fall, aber da war es nachts noch so kühl, dass wir uns nicht freiwillig ins Cockpit setzen wollten, um Sterne zu gucken. Doch gestern Nacht wehte ein laues Lüftchen, der Mond schien nicht allzu hell und es waren nur ganz wenig Wolken am Himmel. Endlich konnte ich das Kreuz des Südens bestaunen und mir mithilfe des iPad und StarWalk die ganzen umliegenden Sternbilder in Ruhe anschauen. Unglaublich wie weit diese Sterne weg sind und wie gut man sie hier draußen dennoch erkennen kann. Gleichzeitig wurde mir jedoch auch wieder bewusst, wie weit auch wir von jeglichem Land und hellen Lichtern weg sind. Überall wohin man blickt, gibt es nur Wasser. In der Nacht ist dieses genauso schwarz wie der Himmel und geht nahtlos in diesen über. Da fühlt man sich schon etwas verloren. Es ist, als ob man in einer winzig kleinen Nussschale in den Weiten des Universums dahintreiben würde…

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Tag 23 – Fakten, Fakten, Fakten

Wetter: bewölkt, häufige Schauer, Wind 5-6 Bft, Wellenhöhe 3m, Temperatur 28°C, Luftfeuchtigkeit 83%
Navigation: 2515sm gesegelt, 464sm bis Antigua, Ankunft dort voraussichtlich am 26.01.2014 1200UTC
Defekte am Boot: Versorgungsbatterien überaltert (speichern nur noch wenig Ladung, wir müssen ständig mit dem Motor nachladen), Kompass des Autopiloten wird durch Motoren abgelenkt, neu gekaufte Leine für 1. Reff durchgescheuert, Notausstiegsluken undicht, Ofentür schließt nicht mehr richtig, eine Naht vom Bimini ist aufgegangen, 1cm2 Gelcoatschaden durch unglückliche Anbringung von Block für Achterholer Spi
Defekte an Kai: 3. Rippe von unten auf der rechten Seite verstaucht oder angebrochen
Defekte an Andrea: blaue Flecken am ganzen Körper, Stresspickel im Gesicht, allgemeiner Erschöpfungszustand
Heutiges Frühstück: frisch gebackenes Bauernbrot mit Wurst, Käse, Marmelade, Honig und Nutella Heutiges Abendessen: Mais-Speck-Törtchen
Stimmung von Kai: wieder gut, obwohl das Ganze zur Zeit eher ein feuchter Traum ist 🙂 Stimmung von Andrea: müde, gestresst
Größter derzeitiger Wunsch von Kai: das Boot sicher mit Mann und Maus nach Antigua bringen Größter derzeitiger Wunsch von Andrea: einfach nur ankommen
Bisher schönstes Erlebnis auf der Überquerung von Kai: unterm gesetzten Spi auf dem Netz am Bug bei strahlendem Sonnenschein ein Buch lesen
Bisher schönstes Erlebnis auf der Überquerung von Andrea: stundenlang die Delphine beobachten, die um unser Schiff springen
Bisher schlimmstes Erlebnis auf der Überquerung von Kai: 40 Knoten Wind in stockfinsterer Nacht bei Regen und hoher Welle und nicht zu wissen, ob der Wind noch zunimmt
Bisher schlimmstes Erlebnis auf der Überquerung von Andrea: Kais Nachahmung von Jack Nicholson in Shining
Auf was sich Kai nach dem Landfall am meisten freut: abends gemütlich in einer Bar sitzen, einen Cocktail schlürfen und danach einfach mal wieder eine Nacht durchschlafen!
Auf was sich Andrea nach dem Landfall am meisten freut: schlafen, schlafen, schlafen…

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Tag 22 – Shining auf See

Falls jemand mal einen Regenschauer braucht: wir hätten hier welche im Dutzend abzugeben! Also wenn das die trockene Saison in den Tropen ist, dann möchte ich die feuchte aber gar nicht erst erleben. Das ist doch nicht mehr normal. Wir hatten bei unserer ersten Atlantiküberquerung genau 0 Squalls. 0! Und diesmal haben wir aufgehört zu zählen, so viele sind das. Das schlimmste daran ist auch nicht das bißchen Wasser, das da vom Himmel fällt, sondern der böige Wind und die konfuse Welle, die dieser aufwirft. Und mit letzterer hat man dann die ganze Zeit zu schaffen, nicht nur, wenn gerade ein Schauer vorbeizieht. Daher kommt dann auch das wilde Geschaukel an Bord, von dem Andrea gestern so eindrücklich berichtete. Echt anstrengend!
Ich sehe nun auch ein, dass es langsam wirklich Zeit wird, dass wir ankommen: ich habe gestern die letzte Dose Bier ausgetrunken!!! Ok, ok, das Gemüse geht auch zur Neige, wir haben nur noch Kartoffeln und Karotten. Beim Obst sieht es besser aus, allerdings sind ebenfalls gestern die Bananen ausgegangen. Ein weiterer Grund, endlich anzukommen, ist meine wahrscheinlich angebrochene Rippe, die durch die ständigen Schiffsbewegungen und die damit verbundenen Muskelanspannungen nicht richtig heilen kann. Dummerweise habe ich vor allem auch im Liegen Schmerzen, was die sowieso schon kurzen Schlafphasen nicht gerade erholsamer macht. Auch jegliche Segelmanöver sind gar nicht gut für den Zustand meiner Rippe. Ich habe schon gar keine Lust mehr, das Großsegel zu setzen: gestern bin ich dabei blöd mit der Hand von der Schot abgerutscht und habe mir selbst auf den Oberkörper geboxt – 3 mal dürft ihr raten, wohin genau der Schlag ging :-(. Anschließend schrie ich meine Wut darüber so dermaßen aufs weite Meer hinaus und rannte dabei wie ein wild gewordener Stier über Deck, dass Andrea Angst vor mir bekam und sich sehr an die Rolle von Jack Nicholson in Shining erinnert fühlte (ohne Scherz!). Vielleicht sollte ich mich doch etwas bremsen, bevor sie sich in unserer Kabine einsperrt und ich sie mit der Axt da rausholen muß…
Aber selbst, wenn wir das Großsegel tatsächlich nicht mehr setzen würden, könnten wir nur schwer verhindern, dass wir spätestens am 26. Januar in Antigua ankommen. Es hat nämlich recht viel Wind, der auch ganz genau in unsere Richtung bläst, so dass wir schon die Motoren im Rückwärtsgang laufen lassen müssten, um unsere Ankunft noch zu verzögern :-).

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