Der Countdown läuft…

So sehr wir uns vor ein paar Wochen gefreut hatten, dass wir nun erst einmal nicht mehr arbeiten gehen müssen, so sehr wünschen wir uns momentan einen 8-Stunden Arbeitstag zurück. Wir rödeln jeden Tag bis in die späten Abendstunden und fallen dann völlig erschöpft ins Bett. Es sind so unglaublich viele Dinge zu erledigen und die Zeit verrinnt uns unter den Fingern. Es fängt an bei den ganzen Impfungen, die wir benötigen bzw. die wir auffrischen müssen: FSME, Polio, Typhus, 3x Tollwut, Masern/Mumps/Röteln, Gelbfieber und Hepatitis A. Und als ob das nicht genug Aufwand wäre, ist nun auch noch der Tollwutimpfstoff ausgegangen und wir müssen jedes Mal ins Tropeninstitut nach Heidelberg fahren, um uns impfen zu lassen.

Jeder fragt uns immer als erstes, ob wir denn unsere Wohnung schon vermietet und ausgeräumt haben: ja, die Wohnung ist ab dem 17.06. vermietet, und nein, wir haben sie noch nicht ausgeräumt, sondern sind noch voll dabei, weil wir vor lauter Bürokratiekram einfach nicht dazu kommen. Jetzt fragt Ihr Euch sicherlich, was es denn da alles zu erledigen geben mag, deshalb hier ein kleiner Auszug unserer Aktivitäten: arbeitslos melden, Krankenversicherung auf Anwartschaft ummelden, Auslandskrankenversicherung abschließen, Boot registrieren lassen und dafür in Frankreich ein Zertifikat der Werft besorgen, Boot versichern, alle Versicherungen kündigen, die wir auf dem Boot nicht benötigen, Funkgerät bei der Bundesnetzagentur registrieren lassen, GEZ/ADAC/Lotto/Volleyballvereine/Zeitung kündigen, Ausrüstung und Ersatzteile bestellen, Motorräder und Autos verkaufen, Schließfach bei der Bank kündigen, uvm.

Countdown - TODO

Außerdem haben wir zwei Kellerräume ausgemistet, letzten Samstag zwei Autos bis unters Dach vollgeladen und sind nach Mannheim auf den Flohmarkt gefahren. Dort haben wir gefühlt unseren halben Hausstand unter die Leute gebracht. Das lief wesentlich besser als wir es uns erhofft hatten: das Wetter war uns wohlgesonnen, wir hatten einen guten Platz ergattert und außerdem noch einen privaten Promoter angeheuert. Kais Vertriebskollege Olli lockte die Leute in Scharen an unseren Stand; Olli könnte sicher auch dem Papst ein Doppelbett verkaufen 😉

Countdown - FlohmarktCountdown - nach Flohmarkt

Während wir diese Zeilen schreiben, sind wir gerade auf der Rückfahrt vom amerikanischen Konsulat in Frankfurt. Nachdem es in der Karibik auch einige amerikanische Inseln gibt und wir eventuell auch den Intracoastal Waterway befahren wollen, haben wir mal nachgeschaut, ob man hierzu auch zu gegebener Zeit einfach einen EStA-Antrag stellen kann, aber das wäre ja dann doch zu einfach gewesen. Nein, wir benötigen natürlich ein Touristenvisum, weil wir nicht mit einem „öffentlichen Transportmittel“ einreisen. Also hat Kai sich mal einen Nachmittag frei genommen und unter vielen Flüchen 3 Stunden lang Online-Anträge ausgefüllt. Außerdem mussten wir noch zum Fotograf, um spezielle Fotos machen zu lassen, weil die biometrischen Passbilder, die wir noch zu Hause hatten, nicht akzeptiert wurden. Dann mussten wir uns nur noch einen Account auf der Internetseite der Botschaft für $10,- einrichten, hierüber einen Termin bei der Botschaft vereinbaren, dann €128.- pro Person überweisen und zur Post fahren, um einen DHL-Expressbrief zu erwerben, mit dem uns dann unser Visum zugesandt wird. Und last but not least mussten wir heute noch persönlich bei der Botschaft in Frankfurt vorstellig werden, um unser Visum genehmigen zu lassen. Welch Glück, dass nicht jedes Land solche Einreisebestimmungen hat, sonst hätten wir erst in einem halben Jahr abreisen können.

Und jetzt geht es auf schnellstem Wege wieder nach Hause, um dort das große Packen weiterzubringen. Wohnzimmer- und Büroregal sind schon abgebaut, der Schreibtisch ist größtenteils leergeräumt und die Abstellkammer teilweise ausgeräumt. Überall stehen Kisten und Kartons und es wird langsam aber sicher immer unwohnlicher. Es regiert das Chaos!

Countdown - WohnzimmerschubladenCountdown - Wohnzimmerregal

Unser Traum wird wahr!

Zugegeben: in den letzten Wochen war uns schon etwas mulmig zumute. Die Jobs gekündigt, die letzten Arbeitstage vorbei, aber das Wichtigste fehlte noch für unsere Auszeit: die Yacht! Nachdem wir in Valencia schon eine große Enttäuschung erlebt hatten (siehe hier), flogen wir Ende letzter Woche mit gemischten Gefühlen nach Tunesien, um die nächste Lagoon 380 zu besichtigen. Unsere Anspannung hat sich aber bereits am Morgen nach der Anreise etwas gelöst, als wir den Katamaran zum ersten Mal in Augenschein nehmen durften. Der Unterschied zu Valencia hätte größer nicht sein können. Anstatt von einer Maklerin empfangen zu werden, die aufgrund des Desinteresses des derzeitigen Eigners auf die einfachsten Fragen keine Antwort wußte, wurden wir hier direkt von Michel, Sophie und Eva, der französischen Eignerfamilie, herzlichst empfangen. Schon nach der ersten Runde ums und durchs Boot waren wir uns sicher: Liebe auf den ersten Blick, wir haben unsere SY Silence gefunden! Aber nun fing ein anderes Bangen und Hoffen an: wenn jetzt nur der Gutachter, der erst in drei Tagen kommen wird, keine größeren Probleme entdeckt…

Liebe auf den ersten Blick

Bis dahin gab es aber noch jede Menge zu tun. Michel hatte extra mit einigen Arbeiten am Boot gewartet, damit er uns zeigen kann, wie alles funktioniert. Dazu gehörte es, alle Segel anzuschlagen (Großsegel, Genua und Genacker), den Wassermacher nach der Winterpause wieder in Betrieb zu nehmen, einen Öl- und Filterwechsel der beiden Motoren durchzuführen und vieles mehr. Andrea musste dabei ständig übersetzen, was für die Arme mit ihren eingerosteten Französischkenntnissen sehr anstrengend war. Auch hatte sie teilweise (noch) nicht den technischen Background, um die Sachen zu verstehen, die Michel erklärte. Außerdem fand uns die kleine Eva ebenfalls sehr interessant, so dass Andrea zeitweise von zwei Seiten gleichzeitig beschallt wurde. Damit das Ganze nicht zu sehr in Stress ausartete, bereitete uns Sophie jeden Tag ein ausgiebiges Mittagessen nach französischer Art mit mindestens drei Gängen!

Wir fielen aber trotzdem jeden Abend todmüde in unser Bett. Nichtsdestotrotz hatte Kai eines Abends noch die Muße, den tunesisch-deutschen Evakuierungsplan in unserem Hotelzimmer zu lesen. Dabei haben wir ein neues deutsches Wort gelernt: „verchmuckt“. Wir wissen zwar absolut nicht, was damit gemeint sein könnte, aber das ist gerade der Clou an dem Wort: man kann es immer und überall und für alles einsetzen: das Wetter ist aber heute wieder total verchmuckt! Oder auch: warum fährt der verchmuckte Typ vor mir nicht endlich rechts rüber? Wir verwenden es gerne und häufig. Wenn ihr uns alle dabei helft, wird es vielleicht irgendwann das Wort des Jahres werden!

Wenn wir nicht gerade auf dem Boot beschäftigt waren, fieberten wir der Ankunft des Gutachters entgegen, den wir aus Deutschland einbestellt hatten. Am Dienstag war es endlich soweit: Heiko kam morgens um 10 Uhr an den Steg. Sein erster Eindruck war ebenfalls sehr gut. Nach seinem Rundgang an Deck ging es direkt zur Werft, um die Yacht aus dem Wasser zu heben und das Unterwasserschiff zu begutachten: dann die erste Erleichterung: juhu, keine Osmose (quasi der Garaus für eine GFK-Yacht), keine Schäden an den Rümpfen, alles in Ordnung!

Bootskauf - Werft

Am nächsten Tag ging es endlich aus dem Hafen raus zum Probesegeln. Aber halt: so einfach ist das nicht, wir sind schließlich in Tunesien! Selbst für einen kurzen Törn von zwei bis drei Stunden muss man zuerst mit allen Pässen und dem Original des Einreisepapiers beim Zoll vorstellig werden und anschließend das Ganze noch von der „Garde national“ absegnen lassen. Es muss nun mal alles seine Richtigkeit haben hier. Nachdem wir auch diese Hürde genommen hatten, hiess es Auslaufen und Segel setzen. Heiko war genau wie wir vom Zustand der Segel positiv überrascht. Selbst der 12 Jahre alte Genacker machte noch einen guten Eindruck. Den Spinnacker konnten wir leider nicht testen, dafür war der Wind mit knapp 20 Knoten doch etwas zu stark. Pünktlich zur Mittagszeit haben wir vor Hammamet noch den Anker getestet und in beinahe karibischer Atmosphäre eine wiederum von Sophie hervorragend zubereitete Mahlzeit genossen.

Bootskauf - Ankern

Zum Nachtisch gab es außer dem Käse noch einen von Kais verchmuckten Französischkenntnissen verursachten großen Lacher: eigentlich wollte er sagen, dass er gerne Ziegenkäse isst. Aber leider verwechselte er die Wörter, so dass er Michel und Sophie von „fromage de cheveux“ (Haarekäse) vorschwärmte, was aber sofort von Generalübersetzerin Andrea in „fromage de cheval“ (Pferdekäse) verbessert wurde. Erst Heiko konnte mit einem „Du meinst wohl fromage de chèvre!“ das betretene Schweigen der Eignerfamilie in kräftiges Gelächter verwandeln!

Bootskauf - Essen

Am Abend ging Heiko mit einem deutlichen „Daumen hoch“ von Bord, was bei uns natürlich riesige Erleichterung auslöste. Bei einem gemütlichen Gläschen Whisky teilten wir Michel und Sophie mit, dass wir ihr Boot kaufen werden!

Bootskauf - Vertrag

Sogleich wurden die Konditionen festgelegt: wir fliegen noch einmal für einige Wochen nach Hause, um einige lästige aber unvermeidliche Behördengänge zu erledigen und um unsere Wohnung leer zu räumen. Währenddessen geniessen die drei noch ein wenig das Leben an Bord. Nach unserer Rückkehr nach Tunesien segeln wir dann alle gemeinsam über Sizilien und Sardinien nach Korsika, wo die drei wohnen und von Bord gehen werden. Für den Törn haben wir ungefähr einen Monat veranschlagt, was uns genügend Zeit geben sollte, mit dem Boot vertraut zu werden. Michel wird Kai den Umgang mit dem Katamaran beibringen und Sophie hat sich bereit erklärt, Andrea in die Geheimnisse der französischen Küche einzuweihen!

Wir freuen uns schon sehr auf diesen ersten Törn mit unserem eigenen Katamaran, über den wir beizeiten natürlich an dieser Stelle berichten werden…