Bonjour Guadeloupe!

Wie Andrea ja schon im letzten Beitrag geschrieben hatte, war vergangene Nacht wieder mal wesentlich mehr Wind als vorhergesagt. Die Variante war aber heute, dass es sich am Tag nicht wieder beruhigte, sondern die ganze Zeit über so weiter blies. Dies war insofern brenzlig, als dass uns so langsam aber sicher der Diesel in unseren Tanks ausging! Wir hatten zwar noch ausreichend in Kanistern dabei, aber wie sollten wir bei dieser konfusen Welle verhindern, dass Salzwasser in die vom Bootsdesigner sinnvollerweise recht nahe über der Wasserlinie angebrachten Tankstutzen gerät? Unmöglich!

Ich denke ja, dass diese Serienboote nur für die Bootsmessen konstruiert sind. Da sollen die dann hübsch aussehen, vor allem auch der Frau gefallen und hoppla hat der Ehemann ein neues Boot gekauft. Das legt er dann in den Hafen von St. Tropez und ist ’ne Weile unheimlich stolz drauf. Dann kauft er sich ’ne Villa in Monaco und das Boot muss weg. Da kommt ein Fahrtensegler daher, kauft das Ding und segelt los. Und jetzt passiert, was der Bootsdesigner ja nicht ahnen konnte: es gibt tatsächlich jemanden, der so bescheuert ist, mit einem für die Messe gebauten Dummy auf Ozeanen rum zu schippern!

Sorry, ich schweife ab. Aber auch wenn wir unser Boot inzwischen (meistens) lieben, musste das mal gesagt werden!

Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, der Dieselvorrat ging zur Neige. Nach langem hin- und herrechnen beschlossen wir einfach, dass es noch bis nach Guadeloupe reichen wird, oder besser gesagt reichen _muss_, denn das Nachtanken war uns unter diesen Bedingungen zu gefährlich.

Heute morgen um halb zehn kam ich dann zum Wachwechsel in den Salon und das erste was ich rufe ist: „Guadeloupe!“. „Wo?“ fragt Andrea, plötzlich wieder hellwach. „Na da, am Horizont!“. „Ja stimmt! Und ich dachte das seien nur wieder dunkle Wolken. Juhuuu!“

Aber wir mussten trotzdem noch fast drei Stunden auf diesem Waschmaschinenkurs durchhalten. Am Ende drehte der Wind noch ein bisschen Richtung Südost und wir konnten sogar noch ein Stündchen segeln und somit ein paar Liter Diesel sparen! Um kurz nach 11 Uhr kamen wir endlich in den Schutz der Leeküste von Guadeloupe und konnten Wind und Wellen Adieu! sagen. Es war kein schwerer Abschied, nein, im Gegenteil, wir sind heilfroh das wir dieses Pärchen erstmal los sind :-).

Und dann war es soweit: endlich, nach 4 Tagen und 8 Stunden auf See, 325 Liter verbratenem Diesel und 10 Liter eingedrungenem und ausgewrungenem Salzwasser hieß es um 14 Uhr: „Bonjour Guadeloupe!“.

Warum immer nachts

Muss der Wind eigentlich immer nachts am stärksten sein? Gestern Nachmittag war fast schon als entspannt zu bezeichnen. Wir motorsegelten direkt in Richtung Guadeloupe und manchmal drehte der Wind sogar in solch eine vorteilhafte Richtung, dass wir immer mal wieder eine kleine Strecke segeln konnten. Es gab keinerlei Squalls, die Sonne schien, wir trafen auf keine anderen Schiffe und Wind und Wellen waren erträglich. So weit wir blicken konnten gab es nur das Meer und uns. So döste immer einer von uns beiden im Salon auf der Eckbank, während der andere ab und an einen Rundumblick machte. Alles in allem war es dafür, dass wir gegenan gehen, recht entspannt.

Da der Wetterbericht jedoch für den Abend mehr Wind gemeldet hatte, beschlossen wir gegen 16 Uhr, dass wir unser Abendessen vorbereiten, so dass wir es später nur noch aufwärmen müssen. Denn am Vortag war uns bei den vorherrschenden Wetterbedingungen abends überhaupt nicht mehr nach kochen zumute gewesen und so hatte es nur Wienerle mit Brot gegeben. Also kochten wir ein schönes Ratatouille und warteten mit Bangen auf den angekündigten stärkeren Wind. Doch dieser blieb aus. Um kurz nach 18 Uhr aßen wir zu Abend und um 19:30 Uhr begab ich mich zu Bett und Kai übernahm die erste Nachtwache. Die Motoren brummten gleichmäßig und während dies für Kai immer bedeutet, dass er nicht gut schlafen wird, ist es für mich richtig angenehm. Denn die Motoren übertönen in unserem Schlafzimmer alle anderen Geräusche, so dass ich schlafe wie ein Baby.

Doch so gegen 23 Uhr wachte ich auf. Kai hatte die Motoren etwas gedrosselt, weil bereits seit mehreren Stunden der Wind zugenommen hatte und unsere Silence unter lautem Getöse in die Wellen krachte. Währen der Wetterbericht gesagt hatte, dass der Wind ca. bis 20 Uhr zunehmen und dann wieder abnehmen würde, blieb er bis 20 Uhr gleich und nahm danach kontinuierlich zu. Da lagen die Wetterfrösche mit ihrer Vorhersage ja schon wieder ganz schön daneben. So hebt sich hier also immer mal wieder mit einem lauten Knall der Salonboden, das Geschirr scheppert in den Schränken und die Gischt spritzt über das ganze Boot. Tolle Bedingungen! Aber immerhin einen kleinen Vorteil hat es: wir sind recht schnell und düsen mit ungefähr 5,5 Knoten auf Guadeloupe zu. Geschätzte Ankunftszeit ist 14 Uhr und dann haben wir hoffentlich den schlimmsten Trip für diese Saison überstanden. Wir freuen uns schon darauf, wenn einer von uns beiden „Land in Sicht“ rufen darf!

Wir sind mal so richtig sauer…

…auf den Typ, der die gestrige Wettervorhersage verbrochen hat! Da hat sich der gute Herr „Meteorologe“ mal um lockere 10 Knoten Wind „verschätzt“. Ich meine, wenn jetzt zum Beispiel ein Hurrikan statt 120 Knoten in Wirklichkeit 130 hat, dann ist das eine Sache, die den Bock nicht fett macht. Aber wenn wir mit unserer Silence gegen 24 Knoten statt gegen 14 Knoten Wind fahren müssen, dann ist das der Unterschied zwischen sportlichem, aber entspanntem Segeln und einem Kampf um jeden Meter gutgemachte Strecke.

Das Ganze fing gestern Nachmittag an: an unserer Steuerbordseite zog schon stundenlang eine riesige und pechschwarze Squall vorbei, als plötzlich der Wind immer weiter zunahm, bis es uns mit konstant über 20 Knoten die Gischt ins Gesicht blies. Unser Vorschiff war teilweise unter den Wassermassen nicht mehr zu sehen und gefühlte einige tausend Liter Wasser klatschten an unsere Salonfenster. Bei Sonnenuntergang legte der Wind nochmals einen Zahn zu, und inzwischen stand auch ein stattlicher Seegang gegen uns. So kamen wir natürlich nur noch sehr langsam vorwärts: unter Riesengetöse, erzeugt durch die gegen den Salonunterboden schlagenden Wellen, die kreischenden Motoren und den durchs Rigg pfeifenden Wind quälten wir uns mit wenig mehr als 3 Knoten durch die Nacht, anstatt beim vorhergesagten Wind mit 6 Knoten dahinzubrausen. Während ich am Ruder saß, begann die Situation an meinen Nerven zu zerren und machte mir Sorgen, ob wir bei dieser Geschwindigkeit mit unserem Dieselvorrat überhaupt bis Guadeloupe kommen würden. Nach einiger Rechnerei hieß die Antwort leider „Nein“. Was tun, wenn der Wind nicht bald nachlässt? Im Süden liegt Venezuela, das ist uns aber zur Zeit zu gefährlich. Direkt nach Norden zu den BVI’s segeln, das würde vielleicht klappen. Aber da wollen wir doch eigentlich gar nicht hin! Oder umdrehen? Nein, das kommt nicht in Frage, da wäre ja unsere ganze bisher gegen den Wind gut gemachte Strecke futsch! Dann doch lieber den Kommentar von Andrea zu meinem sorgenvollen Gesicht beherzigen: „Augen zu und durch!“.

Und tatsächlich, um 2 Uhr morgens, nach 10 stündigem Kampf, begann der Wind etwas nachzulassen und einige Zeit später wurden auch die Wellen wieder erträglicher. Uff!

Bevor wir aber zur Bord- bzw. Wachroutine übergehen konnten, hieß es noch Wunden lecken: die bereits im letzten Beitrag erwähnte Undichtigkeit der Notausstiegsluke hatte sich durch die von außen mit großer Wucht anschlagenden Wellen deutlich verschlimmert. Inzwischen konnte man nicht mehr von einem Hereinsickern sprechen, nein, es war eindeutig ein Hereinfließen! Glücklicherweise hatten wir das frühzeitig bemerkt und unterstützten die nun doch überforderte Windel mit drei großen Handtüchern. Während unserer 10 stündigen Fahrt in der „Waschmaschine“ haben wir aus diesen geschätzte 5 Liter Wasser ausgewrungen! Ach ja, und apropos Windel: heute morgen liest doch Andrea auf der Packung die Aufschrift „16kg“ und sagt zu mir: „Hey, das ist ja Wahnsinn: die kann ja 16kg aufsaugen!“ Ich: „Ja, nee is klar, ne!“. Ihr seht, es ist schon besser, dass wir keine Kinder haben ;-)!

Seit heute morgen hat sich das Wetter dazu entschlossen, sich lieber wieder an der Vorhersage zu orientieren. Im Moment gönnen wir unseren Motoren sogar eine Pause und sind mit immerhin zwischen 4 und 5 Knoten unter Segeln unterwegs. Hoffentlich bleibt das so, dann sind wir trotz allem morgen Abend in Guadeloupe!