Tag 11 – Schauergeschichten

Heute hatten wir wieder einige Wetterkapriolen. Den ganzen Tag lang sind wir zwischen Regenschauern Zick-Zack gefahren. Hat ganz gut funktioniert, wir sind nicht ein einziges Mal von oben nass geworden. Allerdings von unten, denn die Welle rollte immer noch von der Seite an, obwohl wir den Wind von achtern hatten. Da kommt schon mal der ein oder andere Eimer Wasser ins Cockpit geschwappt, was ziemlich ärgerlich ist, denn danach ist alles versalzen und wir können hier draußen schlecht Unmengen von Süßwasser zum Sauberspülen verwenden. Der Wind ist ebenfalls noch da, stark und böig wie die letzten Tage. Das Segeln macht so nicht richtig Spass, denn man hat immer gerade die falsche Segelfläche gesetzt: im Wetterbericht ist momentan von 17 Knoten Wind die Rede. In Wirklichkeit schwankt er aber zwischen 10 und 29 Knoten, und das ohne Vorwarnung. Gehen wir auf Nummer sicher und setzen Segel für 29 Knoten, können wir sicher sein, dass wir zu 95% der Zeit in der Gegend rumdümpeln. Setzen wir Segel für 10 Knoten, haben wir ein Problem, wenn die 29 kommen. Der richtige Weg liegt natürlich wie immer in der Mitte, aber uns fällt es (noch?) schwer, diese zu finden…
Seit Mitternacht laufen wir übrigens nach Südwest ab, da der Wetterbericht direkt auf unserer Kurslinie die Entwicklung einer „tropical depression“ (ein tropisches Tiefdruckgebiet, aus dem im Sommerhalbjahr Hurrikane entstehen) zeigt. Naja, hoffen wir mal, dass sich der Bericht irrt, schließlich handelt es sich dabei nur um ein Computermodell…

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Tag 10 – Schlafentzug

Seit gestern Nacht haben wir (fast) kein Auge mehr zugetan, da in jeder Freiwache irgendetwas anderes dazwischen kam. Wir starteten bei angenehmen 4-5 Beaufort mit Großsegel und ausgebaumter Genua in die Nacht. Bei Wachwechsel gegen Mitternacht liefen wir mit dieser Besegelung runde 6,5 Knoten, was mein Bauchgefühl als grenzwertig einstufte, obwohl wir im Prinzip keine Welle hatten und sich nichts übermäßig belastet anfühlte. Da wir gerade so schön schnell in die richtige Richtung unterwegs waren, entschieden wir, an den Segeln nichts zu ändern und ich schickte Andrea ins Bett. Ein fataler Fehler, wie sich bald herausstellte: aus dem Nichts kam plötzlich eine Bö mit 27 Knoten daher. Kasimir, unser Autopilot, hatte wohl gerade eine unaufmerksame Sekunde und ließ das Schiff mit über 8 Knoten aus dem Ruder laufen, d.h. wir hatten innerhalb kürzester Zeit Seiten- statt Rückenwind. Ich stürzte ins Cockpit, aber es war zu spät: in diesem Moment knickte unser Alu-Spibaum ab wie ein Streichholz (sorry Henning, aber ich denke, es ist reparabel :-)) und fiel mit lautem Getöse aufs Vorschiff. Nach einer kurzen Schrecksekunde rollte ich die Genua ein. Andrea stand inzwischen im Schlafanzug und mit weit aufgerissenen Augen ebenfalls im Cockpit und schaute mich fragend an. Ich ging nach vorne, um zu sehen, wie groß der Schaden ist: wie durch ein Wunder hat der Baum keine Luke durchschlagen oder auch nur einen Kratzer ins Gelcoat gemacht! Glück im Unglück gehabt! Nur leider werden wir jetzt wohl ohne Spibaum nach Antigua kommen müssen, denn ich denke nicht, dass wir den mit Bordmitteln reparieren können. Schade! Ich schickte Andrea wieder ins Bett. Aber keine Stunde später fing es plötzlich an zu regnen. Unser erster Squall (ein kurzer tropischer Regenschauer, meist verbunden mit starkem Wind) war im Anmarsch! Wiederum weckte ich Andrea, diesmal um das Großsegel zu bergen. Der Regen kam, der Wind blieb aus. Bis weit nach Sonnenaufgang ging anschließend ein Squall nach dem anderen über uns hinweg, alle mit herrlichen Regenbögen, die direkt neben dem Boot, noch im Wasser, anzufangen schienen und wie im Bilderbuch einen perfekten Halbkreis bildeten. Inzwischen blies es mit 6-7 Beaufort und es bauten sich steile hohe Wellen auf, die von einem noch höheren alten Seegang, der aus Norden anrollte, überlagert wurden. Wir refften das Vorsegel so, dass wir noch 5-6 Knoten liefen. Doch schon kurz darauf hatten wir keine Lust mehr, den direkten Weg nach Antigua zu steuern, denn die genau von der Seite anlaufenden Wellen krachten dermaßen von unten an unseren Salon, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Seither laufen wir vor den Wellen ab, Kurs 230° statt 260°, nun ist (fast) wieder Ruhe an Bord der Silence! Im Moment beobachten wir gerade einen anderen Katamaran auf dem AIS-Radar, der wohl eher der Segel- als der Komfortliebhaber ist: mit teilweise über 10 Knoten fährt er auf dem richtigen Kurs nach Antigua! Zugegeben, er wird sehr schnell dort sein, aber falls er es noch nicht war, wird er jedenfalls dann taub sein ;-).
Wir hoffen, dass sich im Laufe des morgigen Tages der Wind und vor allem die Welle wieder beruhigt und wir dann wieder etwas mehr Schlaf bekommen. Wir sind echt todmüde! Wir sind halt doch (noch) eher die Passätchen- als die Passat-Segler…

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Tag 9 – Ein Fisch an der Angel

Gestern haben wir unsere Angel rausgeholt, da wir mal wieder richtig Lust auf Fisch hatten. Leider hatten die Fische aber wohl keine Lust auf uns, so dass wir am Abend ein wenig traurig eine Packung Bratwürste aufrissen. Heute Mittag, beim zweiten Anlauf, hatten wir mehr Glück: ich sitze gerade vorne am Bug und lese, da ruft es plötzlich aus dem Cockpit: „Fisch! Fisch!“. Es ist eine schöne Dorade, etwa 50cm lang, genau richtig für ein schönes Abendessen zu zweit. Wir nehmen sie gleich aus und schuppen sie, dann kommt sie bis zum Abendessen in den Kühlschrank. Schnell war ein passendes Rezept gefunden: der Fisch wird auf jeder Seite fünf Mal tief eingeschnitten, in die Schnitte wird jeweils eine halbe Zitronenscheibe gesteckt. Dann mit Olivenöl, Rosmarin, Thymian, Salz und Pfeffer würzen und noch ein paar Zitronenscheiben und gehackten Knoblauch in die Bauchhöhle stecken. Das Ganze kommt dann für 20 Minuten bei 200°C in den Ofen. Andrea machte dazu noch den leckeren Couscoussalat, den uns Viola und Christian, unsere beiden Anhalter aus der Schweiz, beigebracht hatten. Hmmm, war das lecker, es geht doch nichts über frischen, selbst gefangenen Fisch!
Heute hatten wir außerdem was zu feiern: wir haben die ersten 1000 Seemeilen unserer Reise in die Karibik geschafft, was gleichzeitig etwas mehr als einem Drittel der Gesamtstrecke entspricht. Darauf stießen wir nach dem Essen mit einem Gläschen „Merlino“ an, einem süßen Rotwein-Brandy aus Südtirol, den wir mal von dort mitgenommen hatten.

Sorry, dass der Beitrag heute etwas später kommt. Wir haben gerade sehr viel Wind, Welle und Regen(!) und daher alle Hände voll zu tun. Wir werden morgen berichten, wenn es das Wetter zulässt…

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