Von unserem Ankerplatz aus, konnten wir direkt auf die Ruinen einiger Häuser auf einem Hügel schauen und wir fragten uns, ob das vormals Villen reicher Trinidadier gewesen waren.
So machten wir uns auf einen Erkundungsgang und stellten mit Überraschung fest, dass es sich bei den Gebäuden um ein ehemaliges Krankenhaus handeln musste. Das war ja interessant. Warum gab es hier mitten in der Einöde auf einer unbewohnten Insel mal ein Krankenhaus?
Wie gut, dass es das Internet gibt, das einem solche Fragen umgehend beantworten kann. Mit Erstaunen erfuhren wir, welch bewegte Vergangenheit Chacachacare hatte.
War ja zuerst der Walfang ein großes Thema, so gab es hier wohl auch mal Baumwoll-, Zucker- und Kakaoplantagen. Aber die meisten Leute lebten zwischen 1922 und 1984 auf Chacachacare und zwar in einer Leprakolonie.
Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Port of Spain, der Hauptstadt Trinidads, ca. 300 Leprakranke. Um die Ansteckung durch Erkrankte zu minimieren wurde 1845 in Cocorite eine Leprakolonie eröffnet und 1868 bekam die britische Regierung Unterstützung in der Bekämpfung der Krankheit: Schwestern eines Dominikaernordens aus Burgund kamen nach Trinidad um ihr Leben den Leprakranken zu widmen. Doch die ansteckende und damals noch unheilbare Krankheit war nicht in den Griff zu bekommen. Und so beschloss die Regierung Trinidads eine neue Leprakolonie auf Chacachacare zu gründen.
1870 wurde der Leuchtturm gebaut und nach und nach kamen ein Steinpier, ein Sanatorium, eine kleine Kirche und eine Schule hinzu. Doch es dauerte noch mehrere Jahrzehnte bis die Patienten dann tatsächlich nach Chacachacare umgesiedelt wurden, denn ihnen graute vor der Einsamkeit der Insel und sie wollten Trinidad nicht verlassen. Erst im Jahr 1922 wurden die Erkrankten eines Morgens plötzlich nach Chacachacare gebracht und das alte Leprosarium angezündet, weil man davon ausging, dass es kontaminiert war.
Das Leben auf der Insel war beschwerlich. Während das Sanatorium und die Schule auf der Südseite der Insel lagen, waren die Kapelle und die Unterkünfte der Nonnen und des Arztes auf der anderen Seite der Bucht und diese mussten mit Booten hin und her fahren.
Die Nonnen opferten ihr Leben für die Pflege der Erkrankten, denn einige von ihnen verließen Chacacachare nicht mehr. Ein kleiner Friedhof etwas abgelegen vom ehemaligen Sanatorium beherbergt noch heute die Gräber der Nonnen und Ärzte, die hier auf Chacachacare starben. Zwei der Nonnen steckten sich sogar mit Lepra an, eine davon soll Selbstmord begangen haben.
Mich überkam Gänsehaut beim Anblick des Friedhofs und ich kann die Menschen nur bewundern, die ihr eigenes Leben aufgaben, um hier auf Chacachacare die Leprakranken zu versorgen.
Nachdem immer weniger Frauen ihr Leben der Kirche widmeten, war es zunehmend schwieriger neue Nonnen des Dominikanerordens für Chacachacare zu gewinnen und so verließen 1950 die letzten Schwestern die Insel und übergaben das Leprosarium an ein einheimisches Team von Schwestern. 1984 starb der letzte Leprakranke und das Leprosarium auf Chacachacare wurde geschlossen.
Es war spannend durch das ehemalige Sanatorium zu laufen. Hätte es nicht eine solch schreckliche Vergangenheit, wäre es ein wunderschöner Ort. Das ganze Gebäude ist von einem Balkon umgeben, jedes Zimmer hat große Fenster und Türen, durch die die ganze Zeit eine kühle Prise weht. Während es draußen unglaublich heiß war, war es hier drinnen herrlich angenehm und die Aussicht über die Bucht war traumhaft.
Einen etwas unheimlichen Touch gaben den Gebäuden jedoch die Rabengeier, die überall herum lungerten. Von unserem Ankerplatz, direkt unterhalb des Sanatoriums, konnten wir sie nachts über die Wellblechdächer hüpfen hören, was ziemlich schaurige Geräusche erzeugte. Kein Wunder, dass die Insel im Ruf steht verwunschen zu sein. So schön die Ruinen bei Tag aussehen, nachts würde ich sie nicht erkunden wollen 😉
Noch ein kleiner Exkurs zum Thema Lepra, für die, die es interessiert. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich dachte diese Krankheit sei ausgerottet. Für mich war Lepra etwas, dass es vor Jahrhunderten mal gab (ich hätte die Krankheit ins Mittelalter gesteckt), aber mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass es auch heutzutage noch Neuerkrankungen gibt.
Entdeckt hatte den Erreger 1873 der Norweger Gerhard Armauer Hansen, weswegen sie auch Hansen-Krankheit genannt wird (auf dem Gedenkstein auf dem Friedhof wurde z.B. unter dem Namen der Schwester Rose de Ste. Marie Vebert vermerkt, dass sie an der Hansenean disease gestorben ist). Die Krankheit wird durch ein Bakterium ausgelöst und geht mit Veränderungen an Haut, Schleimhäuten, Nervengewebe und Knochen einher. Oft verlieren die Erkrankten das Gefühl für Kälte, Hitze und Schmerz und verletzen sich somit unbemerkt. Da keine Schmerzen verspürt werden, werden Wunden nicht behandelt und durch Entzündungen sterben dann Körperteile ab.
Die Übertragung findet durch Tröpfcheninfektion statt. Da Lepra jedoch nur schwach ansteckend ist, bedarf es für die Übertragung des Erregers eines langfristigen engen Kontakts mit einem Infizierten. Oft liegt die Ursache von Neuerkrankungen in mangelnder Hygiene und einem geschwächten Immunsystem.
Die Inkubationszeit ist sehr lang. Sie dauert mindestens einige Monate, für gewöhnlich ca. 5 Jahre, manchmal aber auch 20 Jahre oder länger.
Heutzutage gilt Lepra als heilbar und kann mit Chemotherapie und Antibiotika bekämpft werden. Dennoch gab es z.B. im Jahr 2023 mehr als 180.000 Neuerkrankungen. Die meisten Erkrankten leben in Indien, Brasilien und Indonesien.