Heute haben wir anstatt der anmutigen Delphine bullige Tanker und monströse Containerschiffe vorbeiziehen sehen. Mal weiter weg, mal näher dran, mal verdammt knapp neben uns! Aber der Reihe nach…
Nachdem der Anflug von Seekrankheit bei Andrea wieder verflogen ist und wir uns allgemein etwas ausgeruhter fühlten, waren wir voller Tatendrang. Der Wind hatte gegen Mittag auf 10 Knoten nachgelassen, so dass unsere Segel anfingen an ihren Bäumen zu zerren und zu schlagen, da sie sich nicht mehr richtig füllten. Kurzerhand beschlossen wir: der Spi muss rauf (ein großes, bauchiges, meist buntes Segel für leichten Wind, dass fliegend vor dem Mast gefahren wird). Da wir das aber noch nie alleine gemacht haben (nur einmal mit den Voreignern Michel und Sophie, wir berichteten), mussten wir erstmal Bücher und verschiedene Unterlagen sichten, um eine vage Idee zu bekommen, wie dieses Segel gesetzt, getrimmt und wieder geborgen wird. Als wir uns nach einer Stunde sicher waren, dass weiteres theoretisches Studium zu unserem derzeitigen Wissensstand nichts als Konfusion hinzufügen würde, machten wir uns daran, unsere gelb-lila Blase auszupacken. Nach gründlicher Überlegung, wie denn die ganzen Leinen geführt werden müssen, zogen wir das Segel hoch und voila, gleich beim ersten Anlauf steht das Teil wie eine eins! Hurra, jetzt geht’s wieder vorwärts, teilweise sind mehr als 5 Knoten auf der Logge zu sehen. Als Belohnung legten wir uns am Bug aufs Netz zwischen die Rümpfe und beobachteten unseren Spi, wie er sich langsam über unseren Köpfen vor die Sonne und wieder zurück schiebt. Dabei lasen wir endlich mal wieder ein wenig und genossen die Freiheit des Meeres.
Wie eingangs erwähnt, sahen wir heute viele Schiffe, die meisten wohl unterwegs zwischen dem Kap der guten Hoffnung und Europa. Das ist schon beeindruckend, wenn so ein zwei-, dreihundert Meter Dampfer in nur einer Meile Entfernung vorbeirauscht. Als es dunkel wurde, hatten wir immer noch einige Schiffe auf unserem AIS-Radar, zwei davon würden uns in ein oder eineinhalb Stunden ziemlich nahe kommen. Andrea übernahm die erste Wache von 8 bis 12 Uhr, ich freute mich auf 4 Stunden Schlaf in der Koje. Aber Pustekuchen! Gefühlt kurz nachdem ich mich hingelegt hatte (in Wirklichkeit nach fast 2 Stunden), kam Andrea aufgeregt in die Koje gestürmt: „Der sieht uns nicht, der kommt direkt auf uns zu! Nur noch 5 Minuten bis er uns rammt!“. Ich rannte im Schlafanzug ins Cockpit und sah den riesigen Kahn in kurzer Distanz von Backbord auf uns zukommen. Andrea hatte schon früh versucht, auszuweichen (obwohl wir als Segler ja „Vorfahrt“ haben), aber der gesetzte Spi ließ nur kleine Kursänderungen zu. Jetzt war es höchste Zeit, ein beherztes Manöver zu fahren: Andrea startete die Motoren und fuhr sofort deutlich nach Backbord, während ich nach vorn zum Spi hechtete um im richtigen Moment den Bergeschlauch (eine Art überdimensionales Kondom, das beim Bergen von oben über das Segel geschoben wird) herunterzuziehen. Uff, das war knapp! In nur etwas mehr als 300m Entfernung lief der Dampfer vorbei und wir glauben nicht, dass die Besatzung auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass sie soeben fast ein Segelboot überlaufen hätte. Sicher hatte die Wache geschlafen oder war gar nicht erst auf der Brücke. Naja, im Moment sieht es jedenfalls so aus, als hätten wir diese Schifffahrtsstraße passiert, denn innerhalb eines 32 Meilen Radius ist kein einziger Verkehrsgegner zu sehen :-).
Zurzeit fahren wir immer noch eine südlichere Route als den direkten Weg, um den besten Segelwind zu bekommen. Mal sehen, ob sich das in den nächsten Tagen auszahlt…
[gpspos lat=26.07 lon=-17.315]
Viele liebe Grüße und eine gute und sicher Atlantiküberquerung! Und natürlich die besten Wünsche für das Jahr 2014. Alexandra Mühr
Habt Ihr AIS noch nachgerüstet und er hat trotz Ansprache mit Name nicht reagiert 🙁 oder musstet Ihr die Kollision undmZeit bis Kollision schätzen. Liebe Grüße und eine etwas entspanntere weitere Überfahrt. Jochen, Claudia und Jolanda vom sicheren Porquerolles 🙂