Des Dramas zweiter Akt

Wenn ich geahnt hätte, dass das Drama noch weitergehen sollte, hätte ich mit meinem letzten Bericht noch einen Tag gewartet.

Am Dienstag hatten wir den ganzen Tag Nieselregen und es wehte kein Lüftchen. Abends setzten wir unseren Blogbeitrag online, gingen zu Bett und schauten eine Folge Cougar Town. Diese war gerade fertig, als draußen plötzlich ziemlich heftiger Wind einsetzte. Kai sprang aus dem Bett, rannte nach oben und ca. 5 Sekunden später hörte ich, wie er die Motoren anwarf. Ich wusste gar nicht richtig wie mir geschah und schlurfte im Nachthemd ebenfalls nach oben, um zu schauen, was los war. Kai hatte die Motoren gerade noch rechtzeitig angeschaltet, um unser Boot abzufangen, bevor wir auf den Katamaran hinter uns gekracht wären, weil unser Anker erneut rutschte. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Es hatte lediglich 25 Knoten Wind und wir hatten mit unserem Anker schon Böen von mehr als 45 Knoten ohne Probleme durchgestanden. Wieso rutschte er jetzt bei 25 Knoten? Das konnte einfach nicht sein!

Jedenfalls führte nun kein Weg daran vorbei, den Anker per Hand hochzuholen, da ja die elektrische Ankerwinsch defekt war (siehe letzter Blogeintrag). Wir zogen uns erst einmal unsere alten Arbeitsklamotten bzw. eine Regenjacke an, weil es natürlich ziemlich heftig regnete. Zuerst fuhr Kai mit dem Boot ein Stück nach vorne, dann rannte er zum Bug und zog so schnell es ging Hand über Hand so viel Kette hoch wie möglich. Ich saß derweil neben unserer Ankerwinsch, nahm die Kette von der Winsch, zog sie ebenfalls per Hand in das Staufach und legte sie, wenn Kai „Stopp“ rief wieder auf die Winsch, so dass sie arretiert war. Das ging auch eine Weile gut, bis wir noch ca. 12 Meter Kette im Wasser hatten. Zwar hatte mittlerweile glücklicherweise der Wind und auch der Regen nachgelassen, doch leider nahm unsere Erschöpfung zu und so passierte es ein paar Mal, dass Kai urplötzlich die Kette ein Stück durch die Hände rutschte, was darin resultierte, dass ich das ganze Gewicht hätte halten müssen. Doch leider war ich dazu nicht in der Lage und so knallte mein Unterarm mehrfach an die Kante unseres Staufachs und ich riss mir die Hände auf. Nach ca. einer 1/2 Stunde hatten wir es dann aber fast geschafft. Es waren nur noch ca. 10 Meter Kette im Wasser und ich sah unsere Aktion einem Ende zugehen. Doch dann passierte es: Kai glitt die Kette komplett aus der Hand, auch ich konnte sie nicht halten und ich sah nur noch zu, wie die Kette mit rasender Geschwindigkeit aus dem Staufach sauste und ins Wasser rutschte. Wir waren beide völlig perplex, doch dann griff Kai beherzt zu und konnte die Kette glücklicherweise aufhalten, so dass nur ca. 10m der Kette ins Wasser rutschten. Na toll, jetzt mussten wir diese noch ein zweites Mal hochholen.

Das war dann aber glücklicherweise recht schnell geschafft, doch als wir nur noch wenige Meter Kette im Wasser hatten, ging auf einmal gar nichts mehr. Kai zog mit aller Kraft, doch die Kette bewegte sich keinen Zentimeter. Ich war sehr sicher, dass höchstens noch ca. 6m im Wasser waren und bei einer Wassertiefe von 6m müsste der Anker mittlerweile ausgegraben sein. Da per Hand nichts mehr zu machen war, legten wir eine Leine um die Kette und holten sie mit unserer manuellen Winsch am Mast mit kleinster Untersetzung rund 1,5m hoch. Dann verschoben wir die Leine und winschten erneut 1,5m hoch. Normalerweise hätte man den Anker mittlerweile locker per Hand hoch bekommen müssen, doch es fühlte sich immer noch an, als ob Goliath am anderen Ende ziehen würde. Wir verstanden die Welt nicht mehr. Mittlerweile hätte unsere Silence mit lose im Wasser baumelndem Anker durch die Bucht treiben müssen, doch wir bewegten uns überhaupt nicht. Sollte ich mich mit der Kettenlänge so verschätzt haben und hatten wir in Wirklichkeit immer noch mehr als 6m unten? Das konnte einfach nicht sein. So winschten wir weiter und weiter bis der Anker endlich aus dem Wasser kam. Und da sahen wir des Rätsels Lösung. Wir hatten beim Ankern eine auf dem Grund liegende Kette eingefangen und diese hatte sich mehrfach um unseren Anker gewickelt. Deshalb war uns ständig der Anker ausgebrochen und deshalb hatten wir den Anker nun auch nur so mühsam hoch bekommen. Doch wie sollten wir nun diese Kette loswerden? Sie hatte sich total festgezurrt und war kaum zu bewegen.

Wir schauten erst einmal ganz schön dumm aus der Wäsche und dann hatte Kai die Lösung. Er knotete eine alte Leine an die aufgesammelte Kette, zog diese nochmal ein Stück hoch, so dass sie nicht mehr ganz so fest an unserem Anker zog und mit vereinten Kräften schafften wir es unseren Anker davon zu befreien.

Mittlerweile war es Mitternacht, diese ganze Aktion dauerte bereits 1 1/2 Stunden und wir waren völlig am Ende. Mal wieder waren wir dreckverspritzt und verschwitzt und unsere Silence war voll Matsch. Und wir hatten überhaupt keine Lust nun nochmal irgendwo zu ankern und so suchten wir nach einer freien Boje in unserer Nähe. Glücklicherweise fanden wir gleich eine, ich holte zwei Leinen und schwupp die wupp hatten wir festgemacht. Allerdings lagen wir nun relativ nahe an einem anderen Boot, das ebenfalls an einer Boje war. Je nach Windrichtung lagen wir nur etwa 5m entfernt, was uns normalerweise viel zu nah gewesen wäre, aber wir waren einfach zu erschöpft, um nochmal loszumachen und eine andere Boje zu suchen.

Während Kai die Motoren ausschaltete und einen Eintrag ins Logbuch schrieb, ließ ich mich im Salon auf den Boden sinken und heulte erst einmal wie ein Schlosshund. Ich zitterte am ganzen Körper und war sowohl physisch wie auch psychisch völlig am Ende. Wieso mussten wir uns ausgerechnet jetzt, wo unsere Ankerwinsch kaputt war mit dem Anker in einer Kette verfangen und solche Probleme haben. Das war uns in 3 1/2 Jahren auf unserer Silence noch nie passiert. Wieso jetzt?

Gegen 1:30 Uhr fielen wir beide total erschöpft ins Bett und schliefen wie die Bären bis um 7:00 Uhr. Dann verholten wir uns an eine andere Boje mit mehr Abstand zu den umliegenden Booten.

Eigentlich hätten wir gerne noch am gleichen Tag nach unserer Ankerwinsch geschaut, doch es regnete den ganzen Tag. Erst am Donnerstag konnte Kai diese auseinander schrauben, nur um festzustellen, dass der Elektromotor kaputt ist. Leider kann man diesen auch nicht mehr reparieren und nun müssen wir uns entweder einen neuen Motor kaufen, der jedoch hier nirgends vorrätig ist und bestellt werden muss (Kostenpunkt ca. €600,-) oder wir kaufen gleich eine komplett neue Ankerwinsch für €1.389,-.

Somit bekommt wieder einmal unsere Silence ein großes Weihnachtsgeschenk, während wir uns wohl mit einer Packung belgischer Meeresfrüchte begnügen werden. Was schenkt ihr Euch denn dieses Jahr?

 

3 Gedanken zu „Des Dramas zweiter Akt

  1. Liebe Andrea und lieber Kai, wir hatten ähnliches in der Nacht in einer Bucht um Rhodos mitgemacht. Ich bin froh, dass ihr euch beim Ausrauschen der Kette nicht an der Hand verletzt habt. Uns half damals der griechische Skipper (ein Bär von einem Mann) ebenfalls mit einer Hilfsleine um seinen Anker – Boot an Boot.

  2. Würde mich ja mal wirklich interessieren, welche Dimensionen euer Anker annimmt, wenn er ausgebreitet ist. Ich als Laie konnte mir gar nicht vorstellen, dass es so ein Problem sein kann, einen Anker hochzuziehen, aber das liegt wohl daran, dass ich ihn mir viel kleiner vorstelle!
    Aber wie sehr man sich bei dieser Aktion verletzen kann, das kann ich mir wohl vorstellen. Ich glaube nicht, dass ich mich getraut hätte, das Ausrauschen der Kette aufzuhalten! Zum Glück habt ihr euch nicht ernsthaft verletzt!!!
    Hoffentlich habt ihr bald wieder schöneres Wetter!
    Ach ja, und unter unserem Weihnachtsbäumchen wird kaum ein neuer Anker liegen, eher etwas viereckiges modernes Elektronisches, was Männerherzen höher schlägen lässt!

    • Hallo Marie,
      unser Anker ist nicht wirklich groß, wiegt allerdings 25kg. Wenn er dann noch voll Matsch ist, können da locker mal 40kg draus werden. Das kann Kai aber normalerweise schon hochziehen, doch dieses Mal war das Problem, dass eben diese Kette um den Anker gewickelt war. Diese Kette war irgendwo noch am Grund befestigt (vielleicht war sie von einer alten Boje) und hat quasi aus einem anderen Winkel an unserem Anker dagegen gezogen. Da kam also mal wieder jede Menge Pech zusammen. Ankerwinsch kaputt, schlechtes Wetter und dann noch eine Kette eingefangen. Das war schon unglaublich!

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