Unsere erste Bekanntschaft mit „razor grass“

Weil die Wanderung auf dem Abschnitt 13 des Waitukubuli Trail uns solchen Spaß gemacht hatte, schaute Kai mal, ob es denn in der näheren Umgebung noch einen weiteren Abschnitt gäbe, den wir erwandern könnten.

Und tatsächlich führt der Abschnitt 11 etwas außerhalb von Portsmouth vorbei. Der gesamte Abschnitt 11 war uns mit mehr als 13 km zu lang, aber es sah so aus, als könnten wir eventuell ein Teilstück davon wandern. Mit dem Bus könnten wir Picard erreichen, dort ins Hinterland laufen und nach einer Bananenplantage müssten wir auf den Trail stoßen. Dann könnten wir auf diesem ca. 5 km wandern bis wir wieder zu einer der Hauptstraßen mit Busverkehr stoßen könnten. 

Oh ja, da hatten wir so richtig Lust drauf und so machten wir uns morgens auf zur Busstation in Portsmouth. In Richtung Picard fährt ca. alle 10 Minuten ein Bus und es dauerte nur wenige Minuten bis wir an unserem Ziel ankamen. Die Schotterstraße zur Bananenplantage fanden wir auch gleich. Das lief doch super! Unterwegs wuchs überall am Wegesrand Zitronengras. Daraus lässt sich nicht nur leckerer Tee kochen, sondern es wehrt auch Moskitos und andere Stechmücken ab, wenn man sich damit einreibt. Was wir vorsorglich mal taten.

Hinter der Bananenplantage führte ein kleiner Weg nach links und schon standen wir vor der Hängebrücke, die bereits zum Waitukubuli Trail Segment 11 gehört. Leider kann man diese nicht mehr benutzen, da sie völlig verrottet ist. Aber der darunter hindurch fließende Fluss, ließ sich an einer seichten Stelle gut durchwaten. 

Auf der anderen Seite zogen wir unsere Turnschuhe an und dann ging es erst einmal ziemlich steil den Berg hinauf. Wir wussten von der Karte, dass wir ca. 300 Höhenmeter überwinden mussten und dies sollten wir wohl relativ schnell tun, so steil wie es hier an manchen Stellen zuging. Manchmal war es mehr Klettern als Wandern, aber da wir ja gut ausgeruht waren, machte das richtig Spaß. Leider war der Weg jedoch nicht in solch gutem Zustand, wie das andere Segment, das wir erwandert hatten. Immer wieder wuchsen Bananenstauden über den Weg oder wir mussten über umgefallene Bäume klettern. Aber gut ausgeschildert war er: es gab überall auf Steine gemalte Zeichen, Holzschilder oder Nägel mit Plastikschildern.

 

Nach ca. einer halben Stunde schimmerte plötzlich etwas zwischen dem Blätterdach hervor. Ich wollte zuerst meinen Augen nicht trauen, aber tatsächlich, da stand eine Picknickbank unter einer kleinen Hütte, von der aus man einen herrlichen Ausblick auf die Nachbarinseln Les Saintes und Guadeloupe hatte. Wahnsinn! Wie hatte man denn das Material für den Bau der Hütte hier hinauf geschafft?

Wir machten eine ganz kurze Rast und genossen die Aussicht und dann ging es gleich weiter, denn wir standen hier ja quasi noch am Beginn unserer Wanderung. Die Hälfte der ca. 300 Höhenmeter hatten wir geschafft. Jetzt würde nochmal ein steiles Stück kommen und dann sollten wir am Kamm des kleinen Berges angekommen sein.

So war es dann auch. Wir kamen nach ca. 25 Minuten aus dem dichten Regenwals hinaus und hatten einen schönen Blick auf die Berge um uns herum. Jetzt sollte es auf dem Bergrücken in relativ gleicher Höhe gemütlich weitergehen. Das Schlimmste war geschafft! Dachten wir, aber da dachten wir falsch! 

Denn der schöne, sich gemütlich dahin schlängelnde Weg, entpuppte sich als messerscharfe Falle. Überall am Rande des Weges wuchsen teilweise mannshohe Gräser, die es in sich hatten. Es handelte sich hier wohl um eine Art Pampasgras (Paspalum virgatum), welches auch sword grass (Schwertgras) oder hier auf Dominica razor grass (Rasiermessergras) genannt wird. Und nach ein paar Metern wussten wir auch, warum das Gras diese Beinamen trägt. Kleine Wiederhaken auf der Oberseite der Blätter hakten sich nicht nur an unserer Kleidung, sondern auch an unserer Haut fest und wenn wir diese nicht entfernten, fügten sie uns beim Weitergehen messerscharfe Schnitte zu. Kai nahm sich vom Boden einen abgebrochenen Ast und schlug uns damit einen Weg frei. Doch das Gras stand immer sofort wieder auf und so nahm auch ich mir einen Ast, lief hinter Kai her und schlug das sich an mir festklammernde Gras weg. Doch das klappte mehr schlecht wie recht. 

Wir kämpften uns ca. eine 3/4 Stunde vorwärts und schafften noch nicht einmal einen Kilometer. Teilweise sahen wir überhaupt keinen Weg mehr, sondern nur noch umgefallenen Bäume und Gras. Mittlerweile waren unsere Beine komplett zerschnitten und jeder Schritt schmerzte aufs Heftigste. Auch meine Arme waren mittlerweile in Mitleidenschaft gezogen und wir sahen ein: das hatte so keinen Sinn! Das blöde war nur, dass wir uns ja nun eine 3/4 Stunde wieder durch das Gras zurück kämpfen mussten. Ich sage euch, das war nicht schön! Mich schmerzten meine Beine mittlerweile so sehr, dass ich jedes Mal zusammenzuckte, wenn wieder einer dieser mörderischen Halme über einen meiner Schnitte fuhr. Aber es half ja alles nichts: Zähne zusammen beißen und weiter gehen!

Was waren wir froh, als wir den Pfad wieder im dichten Regenwald verschwinden sahen und wir dieses grässliche Pampasgras hinter uns lassen konnten.

Der Abstieg ging natürlich wesentlich schneller als der Aufstieg und schon bald kamen wir wieder an der Picknick-Bank vorbei. Hier packten wir unseren Proviant und Wasser aus und erholten unsere schmerzenden Beine.

Dann ging es das zweite Stück des Berges hinunter und wir freuten uns beide darauf, dass wir bald unsere zerschrammten Beine im kalten Fluss baden und uns das Blut abwaschen konnten. 

Tja, leider sind wohl nicht alle Abschnitte des Waitukubuli Trails so gut gepflegt, wie der unserer vorherigen Wanderung. Und wir wissen jetzt auch, dass es durch razor grass so gut wie kein Durchkommen gibt. Selbst mit langen Hosen und langärmeligen Shirts hätten wir das nicht geschafft. Man lernt im Leben nunmal nie aus!

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