Hagel- oder Gerstenkorn, das war hier die große Frage

Was bei Kai zuerst aussah wie eine kleine Augenentzündung am unteren Rand des Auges, wurde jeden Tag röter und schwoll mehr an. Nach ein paar Tagen und etwas Internetrecherche waren wir uns ziemlich sicher, dass es sich um ein Hagelkorn handeln müsse. Ich gab Kai zur Sicherheit Mal antibiotische Tropfen und Salbe, aber leider half dies nichts und man konnte zusehen, wie es immer dicker wurde.

Als es nach ein paar Tage auch noch anfing zu schmerzen, vermuteten wir, dass es sich nun wohl doch eher um ein Gerstenkorn handelt. Hm, was tun? Es war Freitag und ausgerechnet an diesem Wochenende stand uns Montags hier in Antigua ein Feiertag bevor. Sollten wir noch bis Dienstag weiter behandeln mit antibiotischen Salben und Tropfen und auf Besserung hoffen, oder würde das Auge bis Dienstag komplett zugeschwollen sein?

Die Gefahr wollte Kai nicht eingehen und so riefen wir unsere antiguanische Freundin an und fragten, ob wir ihr Auto leihen dürften, um zum Arzt zu fahren. Glücklicherweise brauchte sie ihr Auto an diesem Tag nicht und wir konnten es haben.

Doch zuerst mussten wir unsere Silence umankern, denn ausgerechnet an diesem Tag hatte es Wind aus Südost und dort, wo wir geankert hatten, konnten wir unser Boot nicht alleine lassen. Also fuhren wir mit unserer Silence in eine Bucht, in der wir unser Dingi an einem kleinen Steg lassen können, um an Land zu kommen. Dummerweise war es an diesem Tag auch nicht ideal unser Dingi dort zu lassen, denn mit dem Schwell und Wind aus Süden krachte unser Dingi ständig an den Steg. Das konnten wir so nicht lassen, also fuhr Kai nochmal zurück zum Boot und holte den Heckanker. Damit war es zwar auch nicht ideal, aber besser als vorher. Dann liefen wir zu Fuß zu unserer Freundin, holten ihr Auto ab und fuhren in die Stadt. 

Das alles hatte uns schon so viel Zeit gekostet, dass wir erst um kurz nach 13 Uhr beim Augenarzt ankamen. Hier hatten wir Glück: er hatte gerade keinen Patienten und Kai kam sofort dran. Leider bestätigte er unsere Diagnose: es handelte sich um ein Gerstenkorn.

Auf unsere Frage, wie es jetzt weitergeht, meinte er, er könne entweder antibiotische Tropfen geben oder er könne es aufschneiden. Da wir die antibiotischen Mittel ja schon probiert hatten, war Kai dann eher für aufschneiden, denn sonst müssten wir ja die Woche drauf nochmal in die Stadt fahren, wenn auch die Mittel des Augenarztes nicht helfen würden.
Doch wenn er gewusst hätte, was ihm da bevorstand, hätte er wohl nicht so schnell auf einer OP bestanden.

Der Arzt bat uns um 16 Uhr nochmal wieder zu kommen, dann könne er Kai operieren. So vertrieben wir uns die Zeit mit Einkäufen und waren um ca. 15:30 Uhr zurück in der Praxis. Direkt vor uns hatte ein anderer Patient ebenfalls einen Termin für eine OP: auch er hatte ein Gerstenkorn.

Der junge Mann kam ca. 20 Minuten später wieder quietschfidel aus dem Behandlungsraum und Kai wurde hinein gebeten. Da wir vorher mit einem Kostenvoranschlag vertröstet worden waren, fragten wir jetzt nochmal, was die ganze Sache denn kosten würde. Ich fiel fast in Ohnmacht, als der Arzt meinte, die OP würde XCD5.000,- (entspricht ca. €1.720,-) kosten. Das ist ja mal ein unglaublicher Stundenlohn!!!

Wir schauten uns an und sagten dem Arzt, dass das viel zu teuer sei und wir das nicht machen können. Daraufhin meinte er nur, wir hätten doch eine Versicherung, die zahle das doch. Aha, daher wehte der Wind. Uns Ausländer wollte man mal wieder schröpfen wie einen Goldesel.

Leider waren wir uns überhaupt nicht sicher, ob unsere Versicherung das zahlen würde und so spät nachmittags war in Deutschland ja auch niemand mehr erreichbar. Wir wussten nicht, was wir machen sollten. 

Da fing der Arzt dann an zu handeln und fragte wie viel unsere Versicherung denn zahlen würde. Daraufhin ging es zu wie auf einem marokkanischen Basar. Kai sagte mal aus der Hüfte geschossen XCD2.000,- (ca. €685) und nach etwas hin und her einigten sich die beiden auf XCD2.500,- also €860,-. Immer noch ein ganz schöner Batzen Geld, aber immerhin nur die Hälfte von dem was der Arzt ursprünglich wollte.

Nun konnte also die OP endlich losgehen. Kai musste sich in dem sehr staubigen und schmutzigen Behandlungsraum auf eine Liege legen und ich achtete peinlichst darauf, dass der Arzt die ganzen Spritzen, Instrumente u.a. aus eingeschweißten Packungen nahm und alles einigermaßen steril aussah.

Kai bekam erst betäubende Tropfen ins Auge und danach eine Spritze. Ich sah, wie sich seine Hände dabei an der Liege fest klammerten und er die Zähne fest zusammenbiss. Das tat wohl ziemlich weh!

Dann wartete der Arzt kurz bis er den ersten Schnitt setzte. Kai zuckte zusammen, krallte sich wieder an der Liege fest und sein ganzer Körper verkrampfte sich. Offensichtlich wirkte die Betäubungsspritze noch nicht. Der Arzt träufelte nochmals ein paar Tropfen in Kais Auge und machte dann weiter. Ich kann euch sagen, das war die Hölle. Kai spürte alles, weil die Betäubung anscheinend überhaupt nicht wirkte. Jedes Mal, wenn der Augenarzt wieder anfing den Eiter aus dem Gerstenkorn zu drücken, verkrampfte sich Kais ganzer Körper, die Muskeln an seinen Armen traten hervor und irgendwann fing er an zu stöhnen. „Aaahhhhhrgggg.“ Ich konnte es fast nicht mehr mit ansehen.
Glücklicherweise meinte der Arzt es wäre fast überstanden und Kai entspannte sich. Dann drückte er nochmal und ein neuer Eiterherd tat sich auf. Der Arzt meinte lapidar „Ach da ist ja noch mehr Eiter.“ und rief mir zu, ich solle mal kommen und mir das anschauen. Nein danke, das war das Letzte was ich wollte. Ich hatte mittlerweile ebenfalls schweißnasse Hände und war so mitgenommen von Kais offensichtlicher Pein, dass ich befürchtete, ich könnte umkippen, wenn ich mir das jetzt ansähe. So blieb ich schön auf meinem Stuhl sitzen, sagte dem Arzt, dass mein Mann unglaubliche Schmerzen habe und fragte, ob er nicht etwas gegen die Schmerzen tun könne. Er tropfte Kai nochmal etwas ins Auge und es ging weiter. Unter den gleichen Schmerzen wie zuvor. Ich war mir nicht sicher, wie lange Kai das noch durchhalten würde. Mittlerweile waren schon mehr als 20 Minuten vergangen und Kai standen die Schweißperlen auf der Stirn und seine Muskeln entspannten sich überhaupt nicht mehr. Sein Stöhnen wurde immer lauter und länger, es grenzte für mich fast schon an Folter, das mit ansehen zu müssen.

Doch dann war es endlich geschafft. Der Arzt war fertig und legte Kai ein paar Mullbinden aufs Auge, die er festklebte. Doch leider war auch Kai fix und fertig. Er fing plötzlich am ganzen Körper an zu zittern, die Zähne schlugen aufeinander und er stammelte nur noch „Mir ist so kalt, mir ist so kalt!“ Der Arzt schaltete die Klimaanlage aus, warf seinen Arztkittel über Kai, ich massierte ihm die Oberarme und den Oberkörper und versuchte ihn irgendwie zu wärmen. Der Schüttelfrost dauerte bestimmt 10 Minuten und ich machte mir die größten Sorgen. Es war, als wäre Kai durch die Schmerzen in einen Schockzustand gefallen. 

Doch irgendwann ließ das Zittern nach und Kai konnte sich endlich aufsetzen. Während ich bezahlte, setzten wir ihn in den Behandlungsstuhl und allmählich kehrte auch wieder etwas Farbe in sein Gesicht zurück. 

Und nachdem ich ihm in der Apotheke neben der Arztpraxis Ibuprofen 800 besorgt hatte, ließen auch endlich die Schmerzen nach und wir konnten den Heimweg antreten. Ich fuhr Kai zurück zu unserer Silence, gab danach noch das Auto bei unserer Freundin ab und war dann gegen 18:30 Uhr auch endlich zu Hause. Und nach einem schnellen Abendessen fielen wir beide völlig erschöpft ins Bett.

Am nächsten Tag sah Kais Auge nach Abnahme des Verbands zu unserem Schrecken nicht viel besser aus als vorher. Die dicke rote Schwellung war nun lediglich einer dicken blauen Schwellung gewichen. Aber wir hofften einfach mal das Beste!

Kai nahm natürlich streng nach Vorschrift eine Woche lang alle 2 Stunden die antibiotischen Tropfen und glücklicherweise verheilte dann tatsächlich alles wieder schön.

Also ganz ehrlich, so etwas müssen wir nicht nochmal erleben!

2 Gedanken zu „Hagel- oder Gerstenkorn, das war hier die große Frage

  1. Hallo Ihr Beiden. Wenn man die letzten beiden Beiträge liest kann einem Angst und Bange werden. Ihr Armen. Aber es scheint ja wieder alles in Ordnung zu kommen. Ich wünsche euch jedenfalls die beste und schnellste Genesung die möglich ist und weiterhin alles Gute. Liebe Grüße, Heiko

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