Tag 5 – Go West!

Nach einem Blick auf die aktuelle Wetterkarte wurde schnell klar: auf nach Antigua! Weiter nach Süden zu laufen macht keinen Sinn mehr, denn der Passat ist da. Und wie! Alleine in der ersten Tageshälfte sind wir schon 75 Seemeilen gesegelt! Das gestrige Etmal war übrigens mit glatt 130sm unser bisher Bestes, mal sehen, ob wir das heute noch toppen können…

Gestern Nacht hatten wir noch einigen Spass mit unserem Spi: wie ich ja im letzten Beitrag erwähnt hatte, nahm der Wind immer mehr zu und wir hatten keine andere Wahl, als ihn zu bergen. Inzwischen wehte es mit 5 Beaufort, in Böen auch mal mehr. Ohne mich jetzt zu sehr in Details zu verlieren, wie sich das Spibergen genau zugetragen hat, gab es jedenfalls eine Situation, in der Andrea am Ruder war und ich vorne am Bug mit beiden Händen die Bergeleine des Segels hielt – und zwar frei schwebend! Zum Glück hatte ich mich mit der Sicherheitsleine am Schiff festgemacht, sonst hätte ich wohl zusammen mit dem Bergekondom dem fliegenden Holländer nachgeeifert ;-). Seit heute Abend pustet es eher mit 6 Beaufort als mit 5. Nach einigen Fehlversuchen mit der Segelführung laufen wir nun nur mit dem Groß im 2. Reff zwischen 5 und 6 Knoten. Es ist stockfinstere Nacht, der Mond, zurzeit sowieso nur eine schmale Sichel, ist längst hinter dem Horizont verschwunden. Die See ist durch den Wind aufgewühlt, die Wellen schlagen zwischen den Rümpfen von unten derart heftig ans Schiff, dass uns die Teller beim Abendessen eine Stepptanzaufführung zum Besten gaben. Überhaupt sind bei diesen Verhältnissen die durch See, Wind und Welle verursachten Geräusche so laut, dass die Freiwache Probleme hat zu schlafen. Außerdem bekommen wir ja normalerweise nur höchstens 4 Stunden Schlaf am Stück, so dass sich inzwischen eine gewisse Dauermüdigkeit an Bord breit gemacht hat :-). Unser größter Respekt gilt hier den Einhandseglern wie z.B. Franz (Hinweis für Nichtsegler: Einhandsegler haben im Allgemeinen zwei Hände. Klingt komisch, ist aber so. Allerdings haben sie keine Crew, sind also ganz alleine an Bord), der mit noch deutlich weniger Schlaf am Stück auskommen muss. Heute haben wir unser letztes rohes Fleisch (leckere Hühnchenschnitzel) gebraten und gegessen. Ab jetzt gibt es nur noch Würstchen aus der Packung, Corned Beef aus der Dose (SPAM ;-)) oder Gemüse. Da wird es höchste Zeit, dass wir unsere Angel auspacken, um etwas Abwechslung in den Speiseplan zu bringen! Übrigens, nicht dass ihr denkt, unser Fotoapparat wäre kaputt: wir haben zurzeit leider keine Möglichkeit, Bilder in vernünftiger Qualität zu posten. Wir werden aber einige Fotos der Atlantiküberquerung nachreichen, sobald wir angekommen sind und wieder „normalen“ Internetzugang haben!

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Tag 4 – Waschtag

Inzwischen wird es an Bord von Tag zu Tag wärmer. Heute war es Andrea sogar so heiß, dass sie am Heck eine kalte Dusche nahm. Ich war da nicht so mutig, bin halt ein Warmduscher ;-). Ich habe einfach bis 14 Uhr gewartet, denn bis dahin hatte sich das Wasser in unserer Solardusche (im Prinzip ein schwarzer Plastikbeutel mit Wasser drin) aufgewärmt. Nach Rasur, Pedi- und Maniküre fühlen wir uns nun wieder viel wohler :-). Nachdem wir seit gestern Mittag bei leichtem Wind den Spinacker gesetzt haben, haben wir immerhin ein Etmal von 126 Seemeilen geschafft. Im Moment nimmt der Wind stetig zu und teilweise kommt die Silence ins surfen. Dabei fahren wir mit über 8 Knoten durchs Wasser, da kommt richtig Freude auf! Allerdings hört der Spass auch irgendwann auf, ich denke wenn der Wind weiter zunimmt, werden wir den Spi bergen müssen. Drückt uns die Daumen, dass wir das problemlos schaffen, denn schließlich haben wir das erst ein Mal gemacht (gestern bei unserem Ausweichmanöver :-)).

Noch ein Hinweis für alle, die uns fleissig Kommentare schreiben: wir bloggen im Moment, indem wir eine E-Mail über das Iridium-Satellitentelefon an unsere Webseite schicken. Die Webseite selbst können wir über diese Verbindung aber nicht anschauen, da sie dafür viel zu langsam ist. Daher können wir Eure Kommentare leider erst lesen und beantworten, wenn wir in der Karibik sind und wieder Wifi haben. Bitte kommentiert trotzdem weiter, denn wir freuen uns schon darauf, Eure Anmerkungen, Hinweise, Fragen etc. zu lesen bzw. zu beantworten!

So, jetzt müssen wir uns mal um unseren Spi kümmern, denn gerade sind wir eine Welle mit über 10 Knoten abgesurft. Morgen mehr dazu…

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Tag 3 – Sieht der uns, oder…

Heute haben wir anstatt der anmutigen Delphine bullige Tanker und monströse Containerschiffe vorbeiziehen sehen. Mal weiter weg, mal näher dran, mal verdammt knapp neben uns! Aber der Reihe nach…

Nachdem der Anflug von Seekrankheit bei Andrea wieder verflogen ist und wir uns allgemein etwas ausgeruhter fühlten, waren wir voller Tatendrang. Der Wind hatte gegen Mittag auf 10 Knoten nachgelassen, so dass unsere Segel anfingen an ihren Bäumen zu zerren und zu schlagen, da sie sich nicht mehr richtig füllten. Kurzerhand beschlossen wir: der Spi muss rauf (ein großes, bauchiges, meist buntes Segel für leichten Wind, dass fliegend vor dem Mast gefahren wird). Da wir das aber noch nie alleine gemacht haben (nur einmal mit den Voreignern Michel und Sophie, wir berichteten), mussten wir erstmal Bücher und verschiedene Unterlagen sichten, um eine vage Idee zu bekommen, wie dieses Segel gesetzt, getrimmt und wieder geborgen wird. Als wir uns nach einer Stunde sicher waren, dass weiteres theoretisches Studium zu unserem derzeitigen Wissensstand nichts als Konfusion hinzufügen würde, machten wir uns daran, unsere gelb-lila Blase auszupacken. Nach gründlicher Überlegung, wie denn die ganzen Leinen geführt werden müssen, zogen wir das Segel hoch und voila, gleich beim ersten Anlauf steht das Teil wie eine eins! Hurra, jetzt geht’s wieder vorwärts, teilweise sind mehr als 5 Knoten auf der Logge zu sehen. Als Belohnung legten wir uns am Bug aufs Netz zwischen die Rümpfe und beobachteten unseren Spi, wie er sich langsam über unseren Köpfen vor die Sonne und wieder zurück schiebt. Dabei lasen wir endlich mal wieder ein wenig und genossen die Freiheit des Meeres.

Wie eingangs erwähnt, sahen wir heute viele Schiffe, die meisten wohl unterwegs zwischen dem Kap der guten Hoffnung und Europa. Das ist schon beeindruckend, wenn so ein zwei-, dreihundert Meter Dampfer in nur einer Meile Entfernung vorbeirauscht. Als es dunkel wurde, hatten wir immer noch einige Schiffe auf unserem AIS-Radar, zwei davon würden uns in ein oder eineinhalb Stunden ziemlich nahe kommen. Andrea übernahm die erste Wache von 8 bis 12 Uhr, ich freute mich auf 4 Stunden Schlaf in der Koje. Aber Pustekuchen! Gefühlt kurz nachdem ich mich hingelegt hatte (in Wirklichkeit nach fast 2 Stunden), kam Andrea aufgeregt in die Koje gestürmt: „Der sieht uns nicht, der kommt direkt auf uns zu! Nur noch 5 Minuten bis er uns rammt!“. Ich rannte im Schlafanzug ins Cockpit und sah den riesigen Kahn in kurzer Distanz von Backbord auf uns zukommen. Andrea hatte schon früh versucht, auszuweichen (obwohl wir als Segler ja „Vorfahrt“ haben), aber der gesetzte Spi ließ nur kleine Kursänderungen zu. Jetzt war es höchste Zeit, ein beherztes Manöver zu fahren: Andrea startete die Motoren und fuhr sofort deutlich nach Backbord, während ich nach vorn zum Spi hechtete um im richtigen Moment den Bergeschlauch (eine Art überdimensionales Kondom, das beim Bergen von oben über das Segel geschoben wird) herunterzuziehen. Uff, das war knapp! In nur etwas mehr als 300m Entfernung lief der Dampfer vorbei und wir glauben nicht, dass die Besatzung auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass sie soeben fast ein Segelboot überlaufen hätte. Sicher hatte die Wache geschlafen oder war gar nicht erst auf der Brücke. Naja, im Moment sieht es jedenfalls so aus, als hätten wir diese Schifffahrtsstraße passiert, denn innerhalb eines 32 Meilen Radius ist kein einziger Verkehrsgegner zu sehen :-).

Zurzeit fahren wir immer noch eine südlichere Route als den direkten Weg, um den besten Segelwind zu bekommen. Mal sehen, ob sich das in den nächsten Tagen auszahlt…

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