Kite-Surfen in der Nonsuch Bay

Nachdem wir uns fast zwei Wochen von der Einsamkeit auf dem Atlantik erholt hatten, war uns der Trubel in English Harbour schon wieder zuviel geworden. Daher hieß es am Samstag „Anker auf“ und „Hisst die Segel“. Letzteres ließen wir dann aber doch sein, denn unser nächstes Ziel war die Nonsuch Bay und laut unserem Revierführer würde es „a brisk 9-mile beat to windward“ werden. Und das war es auch: wir motorten fast 3 Stunden lang gegen 20 Knoten Wind und 2 1/2 Meter Welle an, bis wir endlich in diese traumhaft schöne Bucht gelangten. Sie ist nach Osten hin nur durch ein Riff geschützt, so dass man freie Sicht auf den atlantischen Ozean mit seinen großen Wellen hat, die auf dem Riff aber brechen, ihre Kraft und Höhe dadurch verlieren und somit nurmehr als Wasserkräuselungen in die riesige Bucht einlaufen. Aufgrund des geringen Tiefgangs unseres Katamarans konnten wir fast bis an das Riff heranfahren und dann unseren Anker in das türkisfarbene, kristallklare Wasser werfen, wo er sich in nur etwas mehr als 2 Meter Tiefe wunderschön in den butterweichen Sand eingrub. Den restlichen Samstag ruhten wir uns aus und lauschten dem nicht allzu weit entfernten Rauschen des Atlantiks, das ab und zu von einem regelrechten Donnern übertönt wird, sobald eine größere Welle gegen die Felsen von Green Island schlägt, das die Bucht nach Süden hin abschließt. Diese Insel ist im Privatbesitz eines hier ansässigen exklusiven Hotels (Mill Reef Club) und ist komplett unbewohnt. Zumindest, was den homo sapiens betrifft, denn es gibt hier viele Vögel und leider auch Ratten, die durch ihre Vorliebe für rohes Ei die Bestände von letzteren in den vergangenen Jahren wohl stark dezimiert haben. Trotzdem konnten wir schon Tropikvögel, Fregattvögel und ein paar Papageien im Flug und auf Beutejagd beobachten. Dabei veranstalten die Fregattvögel die größte Show, denn sie fischen nicht selbst (sie sind aufgrund ihrer kurzen Beine nicht wasserstartfähig), sondern versuchen beispielsweise den Tropikvögeln in einem spektakulären Luftkampf deren Beute abzujagen! Auch unter Wasser ist hier einiges los, wie wir am Sonntag und Montag bei zwei ausgedehnten Schnorcheltouren feststellten. Zwar gibt es hier vor allem kleine Fische, aber diese sind dafür um so bunter und zahlreicher. Auch deren Lebensraum, das Korallenriff, ist eine Augenweide. Vor allem von der in der Karibik sehr verbreiteten Hirnkoralle haben wir einige große, fast perfekt kugelrund geformte Exemplare entdeckt. Man könnte dem Treiben der Fische vor diesem wunderschönen Hintergrund ewig zuschauen, wenn einem nicht trotz des 27°C warmen Wassers irgendwann etwas kühl werden würde :-).
Aber nicht nur in der Luft und unter Wasser, auch auf dem Wasser gibt es hier viel coole Action: die Nonsuch Bay ist ein idealer Kite-Surfing-Spot, denn sie ist groß, gut vor Wellen, aber überhaupt nicht vor dem Wind geschützt, der immer mit vier bis fünf Windstärken in die Bucht hinein bläst. Drei Tage lang schauten wir zu, wie die Surfer vom nur etwa 200 Meter von unserem Boot entfernten Sandstrand starteten und hin und wieder dicht an uns vorbeizischten. Bald bemerkten wir auch, dass es hier wohl eine Kite-Schule geben mußte, denn immer wieder beobachteten wir Jungs in gut motorisierten Dingis, die havarierten Surfern schnell zu Hilfe kamen. Seit uns mein ehemaliger Kollege Jens vom Kite-Surfen vorgeschwärmt hatte, waren wir von der Idee, sich an einem Drachen durchs Wasser ziehen zu lassen, begeistert. Also winkten wir einem der Jungs im Dingi und er kam zu uns ans Boot. Nach meiner Begrüßung auf Englisch meinte Chris, wir könnten auch ruhig deutsch reden, denn wie sich schnell herausstellte, war er vor 7 Jahren von unserer Heimat hierher ausgewandert, um mit seinem italienischen Freund eine Kitesurfing-Schule aufzuziehen. Wir vereinbarten sofort eine erste Trainingseinheit für den nächsten Tag und freuten uns riesig darauf. Heute morgen um 10:30 Uhr war es dann endlich soweit: unser Lehrer holte uns mit seinem Dingi direkt von der Silence ab und wir fuhren erstmal an den Strand. Dort angekommen ließen wir einen kleinen Babykite mit etwa 2 Metern Spannweite steigen und übten, wie man so einen Drachen startet, steuert und landet. Nach einiger Zeit hatten wir dieses kleine Ungeheuer, dass in unseren ungeübten Händen teilweise ungeahnte Kräfte freisetzte, soweit im Griff und unser Lehrer meinte, wir seien nun bereit für größere Taten. Wie in jeder seriösen Sportart geht die Sicherheit allerdings vor, so dass er uns zuerst noch eine entsprechende Einweisung gab, die sich beim Kitesurfen vor allem darum dreht, wie man im Notfall die Verbindung zwischen Mensch und Kite stufenweise trennt. Danach entrollte er den großen Kite und wir bekamen einen ordentlichen Schreck: die Teile sind ja riesig! An 25 Meter (!) langen Leinen gefahren, sahen die Drachen immer so süß aus, wenn wir sie von unserem Boot aus beobachteten. Jetzt, wo er direkt vor uns im Sand lag, und vor allem nachdem wir den Babykite schon als bissiges Ungeheuer erlebt hatten, kam uns dieser hier wie ein unzähmbares Monster vor! Aber wir hatten ja einen guten Lehrer, oder? Mit einem etwas lauen Gefühl im Magen stiegen wir mit ihm ins Dingi, das er nach kurzer Fahrt inmitten der Bucht an einer Boje festmachte. Dann war es soweit: wir klinkten das Monster in unser Gurtzeug ein und lernten, wie man es dazu überredet von der Wasseroberfläche in den Himmel zu steigen, ohne dass es einen wie eine geerntete Karotte aus dem Dingi rupft. Nach dieser Lektion, bei der wir natürlich Schwimmwesten und Helme trugen :-), ging es endlich ins Wasser, allerdings noch ohne Board: Andrea hängte sich mit ihrem Gurtzeug so bei mir ein, dass sie genau hinter mir war und mich festhalten konnte (oder vielleicht eher sich festhalten konnte ;-)). Ich sollte mich auf den Bauch drehen, den Kite starten und versuchen, uns damit beide durchs Wasser zu ziehen (aka Belly-Surfing :-)). Nach einigen Fehlversuchen, die hauptsächlich deshalb scheiterten, weil ich das Biest nur wenige Sekunden in der Luft halten konnte, hatten wir zum Abschluss noch einen richtig geilen Run: wir nahmen mächtig Speed auf und es zerrte uns dermaßen durchs Wasser, dass Andrea sich fast nicht mehr festhalten konnte. Wow, war das genial! Schade nur, dass unser Training damit für den heutigen Tag beendet war, denn das hat echt Lust auf mehr gemacht! Zum Glück war die nächste Doppelstunde nur ein Anruf im Office entfernt: morgen früh, wieder um 10:30 Uhr geht es weiter!

P.S.: leider haben wir hier kein Wifi und bloggen wieder mal über unser Iridium-Satellitentelefon. Daher gibt’s diesmal leider keine Bilder, aber wir werden natürlich sobald wie möglich einige Highlights nachreichen!

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Wir haben es geschafft!

Zuerst einmal möchten wir uns bei Euch entschuldigen, dass ausgerechnet der heutige Beitrag erst so spät erscheint! Wir haben gerade gesehen, wie fleißig ihr unsere Beiträge gelesen habt (über 5000 Seitenaufrufe, seit wir losgefahren sind!) und wie eifrig ihr Kommentare geschrieben habt! Wir freuen uns schon sehr darauf, sie alle zu lesen!

Nun das wichtigste vorweg: wir sind heute um 10 Uhr Ortszeit sicher in Antigua im English Harbour angekommen und haben unseren Anker nach einigem hin und her zum ersten Mal in karibischem Sand versenkt. Aber der Reihe nach:

Gestern, kurz nachdem wir den letzten Beitrag online gestellt haben, surrte plötzliche unsere Angel. Aber wie! Wir stürzten sofort hin und stellten zuerst vorsichtig und dann immer entschiedener die Bremse fester. Aber keine Chance: selbst mit der höchsten Einstellung zog unser Fang die Leine weiter raus! Wir kämpften gut eine halbe Stunde mit dem Fisch, bis wir ihn in einer großen Welle achteraus zumindest kurz mal sehen konnten. Ein Riesenteil! Immer wieder tauchte er ab und versuchte uns sogar zu überholen, obwohl wir annähernd 5 Knoten liefen. Nach einer gefühlten Ewigkeit beschlossen wir, dass er nun müde genug ist, um ihn an Bord zu holen. Während ich mit dem Gaff (ein großer Metallhaken an einem Stiel – danke Andi!) auf der Badeplattform stand, kurbelte Andrea mit aller Kraft an der Angel. Und dann, endlich, kam unser Fang das erste Mal ans Tageslicht: ein prächtiger Thunfisch, 80cm lang und 9kg schwer, wie wir später maßen. Ich  schaffte es nach einigen Fehlversuchen, ihm den Haken hinter die Kiemen zu schlagen und hievte ihn an Bord. Dort schnitten wir vier mächtige Filets aus dem Fisch, die sogleich in unseren Kühlschrank wanderten. Gestern und heute gab es daher extrem lecker gewürzte Thunfischsteaks nach einem Rezept von Wendy, einer Amerikanerin, die wir noch in Lanzarote kennen gelernt hatten. Allerdings haben wir immer noch drei riesige Filets übrig, die wir wohl einkochen werden, damit sie uns nicht kaputt gehen.

Thunfisch

Die Nacht verlief dann für unsere Verhältnisse relativ ruhig: 5 bis 6 Beaufort Wind und nur zwei oder drei Squalls :-). In den frühen Morgenstunden, noch vor Sonnenaufgang war dann plötzlich Land in Sicht, zuerst nur einige blinkende Lichter, die sich als befeuerte Funkmasten herausstellten, dann zeichnete sich eine Kontour am Horizont ab: Antigua! Was haben wir diesen Augenblick in den letzten Wochen herbeigesehnt, und nun war er gekommen! Langsam nahm das Land immer deutlichere Formen an und bald war auch die Huk, hinter der sich English Harbour versteckt, gut sichtbar. Als wir genau querab waren, drehten wir ein und nach einem wilden Ritt mit Wind und Welle von der Seite (letztere waren immer noch 2 bis 3 Meter hoch) erreichten wir die geschützte Bucht. Jetzt haben wir es geschafft, dachten wir beide. Aber sogleich erwartete uns die nächste Herausforderung: durch eine wohl erst vor kurzem erfolgte Erweiterung des Hafens war der freie Raum zum Ankern sehr eingeschränkt worden, so dass die vielen Yachten dicht an dicht lagen. Erst nach einer weiteren Stunde und zwei Fehlversuchen schafften wir es, einen halbwegs akzeptablen Platz zu finden, an dem wir nun die Nacht verbringen werden. Morgen verholen wir uns dann vielleicht in die nahe gelegene Nachbarbucht, in der wesentlich mehr Platz ist.

Antigua2 Antigua1 Silence English Harbour

Nach diesem nervenaufreibenden Ankermanöver fuhren wir erstmal mit dem Dingi an Land, um die Formalitäten zu erledigen und um ein wenig Gemüse und leckeres Wadadli, das lokale Bier, einzukaufen. Dabei lernten wir gleich noch ein kanadisches Segler-Ehepaar kennen, mit denen wir den Nachmittag mit Erzählen und einigen Wadadlis verbrachten ;-).

Auf die Fotos der letzten Wochen dürft ihr Euch noch ein paar Tage lang freuen, denn jetzt freue ich mich wahnsinnig auf die erste Nacht seit vier Wochen in der es nicht nach spätestens vier Stunden ruft: „Kai, es ist schon 3 Uhr, löst du mich bitte mit der Wache ab!“ Wie schön doch die einfachsten Dinge sein können…

 

Tag 26 – Reif für die Insel

Heute melden wir uns hoffentlich das letzte Mal von See aus. Ich weiß, dass ich mich hier wiederhole, aber es wird wirklich, wirklich Zeit, dass wir ankommen, denn wir sind ja sowas von reif für die Insel! Die Windstärke und die Wellenhöhe sind nämlich weiterhin eine Kleinigkeit über der Wohlfühlgrenze (6 Beaufort, 4 Meter), bis zu der wir noch Lust haben, auf unserem Netz am Bug in der Sonne zu liegen und ein Buch zu lesen. Bei diesen Bedingungen würde man dabei nämlich alle paar Minuten eine Salzwasserdusche bekommen, die zwar inzwischen 27°C warm, aber dennoch unangenehm ist (zumindest für das Buch :-)). Außerdem haben wir seit gestern Nacht eine mysteriöse Gegenströmung von bis zu einem Knoten. Eigentlich sollte die Strömung hier mit bis zu 2 Knoten mit uns mitlaufen! Wir fragen uns, ob der Strömungsatlas einfach falsch ist, oder ob das mit der Klimakatastrophe zusammenhängt…
Trotz aller Widrigkeiten sollte sich aber morgen um ca. 9 Uhr Ortszeit unser Anker in den Sand in English Harbour auf Antigua eingraben. Dort müssen wir dann erst mal das Dingi klar machen, zu den Behörden düsen und die Einreiseformalitäten hinter uns bringen. Wenn wir danach noch Zeit und Lust haben, werden wir eine Auswahl der Bilder posten, die sich über die letzten Wochen auf unserer Kamera angesammelt haben. Ansonsten müsst ihr Euch halt noch bis Montag oder so gedulden…
Überhaupt hat sich so einiges in den letzten Wochen angesammelt, was nun endlich mal erledigt werden will: ein großer Stapel dreckige Wäsche sehnt sich nach einem Münzwaschautomaten, 4 1/2 Müllsäcke mit Kunststoffabfällen stinken vor sich hin und möchten gerne dringend entsorgt werden, einige Leerräume im Kühlschrank, in den Vorratsschränken und vor allem in unseren Obst- und Gemüsekörben wollen durch einen Einkauf im Supermarkt entfernt werden, Staub im kompletten Schiff will weggesaugt werden (ihr wisst ja: es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur…), eine große Anzahl an Emails in unseren diversen Posteingängen wollen beantwortet werden (wissen wir nicht, vermuten wir aber mal schwer!), zahllose notwendige Reparaturen am Schiff müssen erledigt werden (siehe auch Beitrag Fakten, Fakten, Fakten) und vieles mehr….
Wir sind also erst mal wieder schwer beschäftigt. Alle Leute, die uns im Vorfeld anvertraut haben, dass Ihnen Fahrtensegeln zu langweilig sei, können somit beruhigt aufatmen: wir werden vorerst nicht vor Langeweile sterben!

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