Tag 20 – Fliegende Fische

Heute war das erste Mal nach dem Tief wieder richtiges Passatwetter! 5 Windstärken aus Ost bliesen uns bei typisch blauem Himmel mit kleinen Wölkchen und warmen 28°C Richtung Karibik. Leider wurde die Freude etwas getrübt, als sich achteraus während des Abendessens (Würstchen mit Kartoffelbrei und Rotkraut) auch schon die erste, ebenfalls für das Passatwetter typische, Squall aufbaute. Also, Essen unterbrechen, Segel runter, mit Motorkraft quer zur Zugrichtung ablaufen. Geschafft, der Schauer geht an uns vorbei! Gerade als wir wieder Segel setzen wollen, sehen wir schon die nächste schwarze Wolke anrücken. Ok, Motor wieder an, ausweichen…nein, das reicht nicht mehr, alle Luken dicht, der Regen kommt. Auch gut, dann können wir unseren Nachtisch noch aufessen. Währenddessen lassen wir uns von der Squall das Deck abspülen, was sowieso mal dringend nötig war.
Anschließend setzten wir wieder Segel und ich übernahm die erste Nachtwache. Übrigens haben wir seit gestern ein neues Wachsystem etabliert, das wir uns aus einem Weltumsegler-Buch aus den 60er Jahren abgeschaut haben: die ersten beiden Schichten dauern wie gehabt je 4 Stunden, so dass die Freiwache diese Zeit am Stück durchschlafen kann. Danach gibt es dann zwei Schichten mit jeweils 2 1/2 Stunden. Somit sind die frühmorgendlichen Wachen nicht mehr so ewig lange und, das ist der eigentliche Clou daran, jeder kann 2x bei Dunkelheit ins Bett gehen.
Während meiner Wache gab es dann noch zwei weitere Schauer. Der erste zog knapp an uns vorbei, beim zweiten war ich mir nicht ganz so sicher. Angespannt saß ich im Cockpit am Ruder, bereit jederzeit die Genua einzurollen, wenn die allerersten Anzeichen einer Regenbö kommen. „Klatsch-peng“ schlägt mir plötzlich etwas sehr hartes an den Oberschenkel. Zu Tode erschrocken schalte ich meine Stirnlampe ein: da lag ein 20 cm langer fliegender Fisch im Cockpit, zappelte und rang nach Luft. Der Arme wurde wohl von uns aufgeschreckt und ist in seiner Verwirrung prompt in die falsche Richtung geflohen. Schnell warf ich ihn wieder zurück ins Wasser. Ich denke zwar schon, dass er überlebt hat, aber ein bißchen Kopfweh vom Aufprall wird er wohl sicherlich haben :-). Kurze Zeit später wiederholt sich das Schauspiel. Allerdings prallt der nochmal etwas größere Fisch diesmal gegen unseren Großbaum, der mehr als 3 Meter über der Wasserlinie ist! Bevor ich für eine weitere Rettungsaktion aufs Salondach klettern kann, hat sich dieses Exemplar einer Spezies, die sicher nicht wegen ihrer herausragenden Intelligenz bis heute überlebt hat, durch seine Zappelei wieder selbst ins rettende Nass verholt. Ich habe mir vorgenommen, den nächsten Vollidioten, der bei uns an Bord havariert, zu essen. Sollen ja ganz gut schmecken, die Viecher :-).

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Tag 19 – Meilensteine

Wir kämpfen immer noch mit dem Wetter. Die letzten 24 Stunden sah es direkt voraus die ganze Zeit nach Weltuntergang aus: graue bis schwarze Wolken reichten hinunter bis zum Horizont. Achtern sah es nicht viel besser aus, eher schlimmer, da man zusätzlich noch die hohen Wellen, aufgepeitscht durch den starken Wind, anrauschen sah. Backbord und Steuerbord sah es fast immer nach Regen aus. Nur genau über uns befand sich die ganze Zeit ein blaues Himmelsloch, so dass ab und an die Sonne durchblinzeln konnte. Aber immerhin kommt der Wind aus der richtigen Richtung, so dass wir heute unserem Ziel 110 Seemeilen näher gekommen sind. Gestern Nacht konnten wir übrigens gleich mehrere Meilensteine feiern: – weniger als 1000 Seemeilen bis Antigua! – 2000 Seemeilen bisher zurückgelegte Strecke
– 2/3 der Gesamtdistanz geschafft
Und für die Freunde der Statistik hier noch ein paar Zahlen:
Unsere Durschnittsgeschwindigkeit ist auf 4,46 Knoten gesunken. Fahren wir in dem Tempo weiter, werden wir erst am 27. Januar, nach genau 4 Wochen, ankommen. Drückt uns die Daumen, dass wir hier irgendwann doch noch das Gaspedal finden und somit ein oder sogar zwei Tage früher dort sein werden.

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Tag 18 – Blitz und Donner

Wie im letzten Beitrag angekündigt, wurden wir gestern morgen recht früh, nämlich um 4:30 Uhr, vom Wind, der eigentlich erst um 9 kommen sollte, geweckt. Zu Beginn kam der Wind noch von der Seite, aber dann gegen 14 Uhr drehte er auf Ost und wir konnten mit unserem Spi gute Fahrt machen. Die relativ hohe Geschwindigkeit gefiel wohl auch den Thunfischen, von denen wir gestern gleich zwei Stück angelten. Einer war allerdings so klein (ca. 25cm), dass wir ihn wieder zurück ins Wasser warfen, damit er noch ein bißchen wachsen kann. Den anderen filetierten wir und schnitten ihn in Würfel. Dann brieten wir die Stücke in Sojasoße zusammen mit Tomaten und Zwiebeln an. Dazu noch ein paar asiatische Nudeln abgekocht und fertig war das leckere Abendessen. Am Abend legte der Wind noch ein bißchen zu, so dass wir überlegten, ob wir den Spi wirklich über Nacht stehen lassen sollten oder nicht. Die Entscheidung trafen dann aber letztendlich nicht wir, sondern der Blitz, der plötzlich im Südwesten über den Himmel zuckte. Entsetzt schauten wir uns an, und noch bevor das Donnergrollen anrückte, stürzten wir aufs Vorschiff um den Spi zu bergen. Schon liefen wir mit voller Motorkraft weg vom Gewitter, die vor kurzem konstruierten Blitzableiter wurden flugs am Mastfuß angeschraubt und unsere gesamte Elektronik wanderte in den Backofen. Mehr konnten wir erstmal nicht tun. Es war nun schon stockfinster geworden und wir saßen im Cockpit und hielten nach weiteren Blitzen Ausschau. Da, wieder einer, diesmal genau im Süden. Aber wir liefen ja sowieso schon nach Norden ab, also kein Problem. Als wir nach einer halben Stunde keine weiteren Blitze mehr sahen, gingen wir zurück auf Kurs West. Inzwischen blies es mit 20 Knoten und es regnete, so dass keiner von uns Lust hatte, Wache zu schieben. Wir stellten daher den Motor ab und liefen unter Autopilot vor Topp und Takel, also ohne Segel, ab. Der Wind schob uns mit 2 bis 3 Knoten vor sich her, genau in die richtige Richtung – perfekt! Leider nahm er immer weiter zu, bis uns morgens um 8 Uhr 8 Windstärken (in der Spitze 40,8 Knoten) mit 5 bis 6 Knoten vor sich hertrieben. Wir überlegten, was wir tun würden, wenn der Wind weiter zunimmt: Leinen achteraus schleppen war die Antwort. Daher holten wir schon mal einige Festmacher etc. vom Vorschiff ins Cockpit, um für den Notfall gerüstet zu sein. Dann, urplötzlich, um 8:45 Uhr, stirbt der Wind von 38 auf 5 Knoten weg. Ich kann es kaum glauben und realisiere leider zu spät, dass wir nun immer langsamer werden und der Autopilot uns wegen fehlender Ruderwirkung in Kürze nicht mehr vor den immensen Wellen halten kann. Da ist es auch schon passiert: wir kommen quer zu einem riesigen Brecher, rutschen seitlich ins Wellental und „kabumm“ schlagen wir mit dem Steuerbordrumpf auf das steinharte Wasser. Im Salon fliegt dabei das Geschirr und sonstiges mit lautem Getöse durch die Gegend. Verdammt! Ich schalte schnell die Motoren ein und wir laufen die nächsten 3 Stunden fast ohne Wind mit 4 bis 5 Knoten vor den steilen Wellen ab. Danach nahm der Wind wieder zu, inzwischen sind wir wieder bei 6, in Böen 7 Beaufort. Unser heutiges Etmal kann sich mit 105 Seemeilen wieder halbwegs sehen lassen. Wenn heute Nacht nicht wieder was dazwischen kommt, müssten wir morgen eigentlich mal wieder die 120er Marke erreichen…

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