Tag 18 – Blitz und Donner

Wie im letzten Beitrag angekündigt, wurden wir gestern morgen recht früh, nämlich um 4:30 Uhr, vom Wind, der eigentlich erst um 9 kommen sollte, geweckt. Zu Beginn kam der Wind noch von der Seite, aber dann gegen 14 Uhr drehte er auf Ost und wir konnten mit unserem Spi gute Fahrt machen. Die relativ hohe Geschwindigkeit gefiel wohl auch den Thunfischen, von denen wir gestern gleich zwei Stück angelten. Einer war allerdings so klein (ca. 25cm), dass wir ihn wieder zurück ins Wasser warfen, damit er noch ein bißchen wachsen kann. Den anderen filetierten wir und schnitten ihn in Würfel. Dann brieten wir die Stücke in Sojasoße zusammen mit Tomaten und Zwiebeln an. Dazu noch ein paar asiatische Nudeln abgekocht und fertig war das leckere Abendessen. Am Abend legte der Wind noch ein bißchen zu, so dass wir überlegten, ob wir den Spi wirklich über Nacht stehen lassen sollten oder nicht. Die Entscheidung trafen dann aber letztendlich nicht wir, sondern der Blitz, der plötzlich im Südwesten über den Himmel zuckte. Entsetzt schauten wir uns an, und noch bevor das Donnergrollen anrückte, stürzten wir aufs Vorschiff um den Spi zu bergen. Schon liefen wir mit voller Motorkraft weg vom Gewitter, die vor kurzem konstruierten Blitzableiter wurden flugs am Mastfuß angeschraubt und unsere gesamte Elektronik wanderte in den Backofen. Mehr konnten wir erstmal nicht tun. Es war nun schon stockfinster geworden und wir saßen im Cockpit und hielten nach weiteren Blitzen Ausschau. Da, wieder einer, diesmal genau im Süden. Aber wir liefen ja sowieso schon nach Norden ab, also kein Problem. Als wir nach einer halben Stunde keine weiteren Blitze mehr sahen, gingen wir zurück auf Kurs West. Inzwischen blies es mit 20 Knoten und es regnete, so dass keiner von uns Lust hatte, Wache zu schieben. Wir stellten daher den Motor ab und liefen unter Autopilot vor Topp und Takel, also ohne Segel, ab. Der Wind schob uns mit 2 bis 3 Knoten vor sich her, genau in die richtige Richtung – perfekt! Leider nahm er immer weiter zu, bis uns morgens um 8 Uhr 8 Windstärken (in der Spitze 40,8 Knoten) mit 5 bis 6 Knoten vor sich hertrieben. Wir überlegten, was wir tun würden, wenn der Wind weiter zunimmt: Leinen achteraus schleppen war die Antwort. Daher holten wir schon mal einige Festmacher etc. vom Vorschiff ins Cockpit, um für den Notfall gerüstet zu sein. Dann, urplötzlich, um 8:45 Uhr, stirbt der Wind von 38 auf 5 Knoten weg. Ich kann es kaum glauben und realisiere leider zu spät, dass wir nun immer langsamer werden und der Autopilot uns wegen fehlender Ruderwirkung in Kürze nicht mehr vor den immensen Wellen halten kann. Da ist es auch schon passiert: wir kommen quer zu einem riesigen Brecher, rutschen seitlich ins Wellental und „kabumm“ schlagen wir mit dem Steuerbordrumpf auf das steinharte Wasser. Im Salon fliegt dabei das Geschirr und sonstiges mit lautem Getöse durch die Gegend. Verdammt! Ich schalte schnell die Motoren ein und wir laufen die nächsten 3 Stunden fast ohne Wind mit 4 bis 5 Knoten vor den steilen Wellen ab. Danach nahm der Wind wieder zu, inzwischen sind wir wieder bei 6, in Böen 7 Beaufort. Unser heutiges Etmal kann sich mit 105 Seemeilen wieder halbwegs sehen lassen. Wenn heute Nacht nicht wieder was dazwischen kommt, müssten wir morgen eigentlich mal wieder die 120er Marke erreichen…

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Tag 17 – Die verflixte Meile

Dieser Tag wird es wiederum nicht in unsere Etmal-Highscore schaffen: nur 57 Seemeilen, hauptsächlich in die falsche Richtung, da der Wind den ganzen Tag über immer noch aus Westen kam. Er wurde aber schwächer und schwächer bis er gegen 18 Uhr fast ganz eingeschlafen war. Zu diesem Zeitpunkt waren es noch 1201 Seemeilen bis Antigua. Da packte mich der Ehrgeiz, denn ich wollte vor der absoluten Flaute diese eine Seemeile noch „totsegeln“! Ich arbeitete wie ein Berserker hinterm Steuerrad, mal hart Backbordruder, mal hart Steuerbordruder gebend, der Kurs stimmte eigentlich nie, oder höchstens mal kurz. Dann, nach einer halben Stunde, kam endlich die Nachricht von drinnen: „Du hast es geschafft, die Meile ist tot!“. Puh, das war anstrengend. Wir bargen schnell die schlagenden Segel, der Wind hatte inzwischen auf 4 Knoten abgenommen. Laut Wetterbericht sollte die ganze Nacht über Flaute sein, so dass wir beschlossen, hier rechts ran zu fahren, und noch ein bißchen zu lesen, dann gemütlich zu kochen und zu essen, ein paar Folgen Big Bang Theory zu schauen und dann zu schlafen. Als ich während des Kochens routinemäßig auf unser GPS schaute, flippte ich fast aus: 1201 Meilen bis Antigua! Der wenige Wind hatte ausgereicht, uns wieder um diese verflixte Meile von unserem Ziel wegzutreiben. Verdammt :-)!
Nachdem kurz vor Sonnenuntergang in 8 Meilen Entfernung ein Kreuzfahrtschiff vorbeigezogen war, suchte ich während der Dämmerung noch mal den Horizont ab. In diesem Augenblick überkam mich ein Gefühl der Verlorenheit auf diesem einsamen Ozean: kein Schiff zu sehen, das nächste Land 1000 Seemeilen entfernt, unter mir mehr als 5000m Wasser. Durch die Windstille herrschte absolute Ruhe, nur manchmal hob die flache, aber hohe Dünung das Heck aus dem Wasser, was ein leises Plätschern entstehen ließ. „Essen ist fertig“, rief es plötzlich von drinnen. Damit war meine Verlorenheit vergessen, denn Andrea hatte sich mit einer Tomaten-Thunfisch-Pasta mal wieder selbst übertroffen! Heute morgen wurden wir dann recht früh vom angekündigten Wind geweckt. Aber davon werde ich im nächsten Beitrag berichten…

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Tag 16 – Die Reise wird zur Odyssee

Heute war ein anstrengender, aber im Hinblick auf unser Vorankommen kein sehr erfolgreicher Tag. Wie ich ja im letzten Beitrag erwähnt hatte, sind wir heute morgen nach Süden gefahren, um laut Wetterbericht auf schwächeren Südwestwind zu treffen. Leider hat sich hier wieder mal der Unterschied zwischen Theorie und Praxis gezeigt. In der Praxis nahm der Wind nämlich an Stärke zu, so dass wir uns doch irgendwann entschieden, auf dem anderen Bug nach Nordwesten zu fahren. Das ist zwar auch nicht ganz unsere Richtung, aber immerhin näher dran als Kurs Süd. Heute Nachmittag erreichte der Frust dann einen neuen Höhepunkt, als wir entdeckten, dass wir seit gestern Abend zwar etliche Meilen gesegelt, aber unserem Ziel Antigua letztendlich nur 3 Meilen näher gekommen sind. Bis übermorgen soll die Passatstörung noch andauern und erst dann werden wir wieder Etmale machen, die den Namen auch verdient haben. Die Tagesetappen der letzten drei Tage waren 71, 78 und 62 Seemeilen. Und davon nur 138 Seemeilen in die richtige Richtung!
Heute mittag haben wir übrigens seit längerem Mal wieder eine andere Segelyacht gesehen und hatten sogar Funkkontakt mit ihr. Es war seltsam, nach über 2 Wochen mit jemand anderem als mit Andrea zu sprechen :-). Die Yacht fährt auch nach Antigua in den English Harbour, so dass wir uns darauf freuen können, die Eigner mal persönlich kennen zu lernen. Auf der kulinarischen Seite sieht es weiterhin gut aus, wir haben immer noch viel frisches Obst und auch einiges an Gemüse an Bord. Gestern gab es zum Beispiel frisches Rotkraut und heute hat Andrea einen leckeren Linsen – Karotten – Kartoffeleintopf gezaubert. Wenn es das Wetter erlaubt, wollen wir aber endlich mal wieder angeln! Vielleicht schon heute, mal sehen…

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