Tag 6 – Wild West

Tatsächlich haben wir es geschafft, unsere Tagesetappe nochmals zu steigern: heute 140 Seemeilen! Allerdings war das auch ein wilder Ritt gen Westen, denn der starke Wind hat natürlich auch hohe Wellen mitgebracht. Zwischenzeitlich war uns nicht mehr ganz klar, ob wir unsere Fahrt aufgrund des Windes machten, oder dadurch, dass wir eine Welle nach der anderen absurften! Das Surfen mit unserem „Wohnmobil“ machte natürlich zumindest eine zeitlang riesigen Spass, vor allem, wenn wir per Hand steuerten (normalerweise fahren wir immer unter Autopilot). Die täglichen Aufgaben, wie Kochen, Essen, Duschen, Lesen wurden dann aber recht anstrengend. Ihr müsst Euch einfach vorstellen, ihr würdet auf dem Jahrmarkt in der „Krake“ (wer kennt sie nicht?) sitzen und müsstet all diese Dinge erledigen! Man weiß eigentlich nie, wo man seinen Fuß wieder absetzen wird, wenn man mal mutig genug war, ihn anzuheben. Dadurch wird eine simple Aufgabe, wie eine Packung Spaghetti vom Schrank zum Herd zu tragen, bereits zur schwierigen Herausforderung. Wir haben festgestellt, dass es am besten ist, sich nicht zu viele Gedanken zu machen, in welcher Reihenfolge man etwas tun möchte. Einfach mal loslaufen und schauen, wo einem die Füße hintragen, ist im Prinzip das Beste! Hm, der Spruch könnte auch von Lao-Tse sein ;-).

Trotz der recht aufgewühlten See fühlen wir uns wohl hier draußen, umgeben von nichts als Wasser, Wind und Himmel. Hie und da zieht eine Seeschwalbe ihre gewundene Bahn an den Wellenkämmen entlang. Man könnte ihnen stundenlang zuschauen, aber leider sind sie immer ebenso schnell wieder weg, wie sie aufgetaucht sind. Auch sie scheinen sich in dieser Wasserwüste wohl zu fühlen, alleine, weitab von Land und Artgenossen. Aber keine Angst, wir freuen uns schon auch sehr darauf, in der Karibik anzukommen!

Ihr habt Euch sicher schon gefragt, was wir während der langen Nachtwachen machen, um uns die Zeit zu vertreiben. Andrea liest natürlich viel und ich habe vor ein paar Tagen angefangen, Musik zu hören. Ich setze mich dann draußen an den Steuerstand, lasse mir den Wind um die Nase pfeifen und spiele Luftgitarre, Luftschlagzeug und sogar bei Lufttrompete hab‘ ich mich schon erwischt :-). Ich bin gerade dabei, die perfekte Playlist dafür auszuarbeiten. Hier ein kleiner Ausschnitt (Interpret – Album – Titel: Kommentar):

Eric Clapton & Steve Winwood – Live from Madison Square Garden – Cocaine: Unglaublich die beiden, das muß ein geniales Konzert gewesen sein! Allein das Albumcover im Flower-Power Stil ist den Kauf schon wert…
Velvet Underground Live With Lou Reed – 1969 Volume 1 – What goes on: Wer da die Füße still halten kann…der hält sich wahrscheinlich die Ohren zu, weil er einen komplett anderen Musikgeschmack hat als ich 🙂
The Jimi Hendrix Experience – Electric Ladyland – Voodoo Chile: Der kam halt echt von einem anderen Stern, der Jimi. Bei diesem Song übrigens an den Keys kein anderer als Steve „Stevie“ Winwood!
Joe Cocker – Live – With a little help from my friends: Wer das Original von den Beatles kennt (übrigens einer der wenigen Songs, die Ringo gesungen hat), weiß, was Joe Cocker drauf hat. Schon beim Intro zu diesem Song kann ich mich gar nicht entscheiden, welches „Luftinstrument“ ich denn nun zuerst übernehmen soll…
Trombone Shorty – Backatown – Hurricane Season: nicht dass ihr denkt, ich höre nur die ollen Kamellen: ich habe Trombone und seine Jungs mal in der alten Feuerwache in Mannheim gesehen. Die hatten das ausverkaufte Haus damals förmlich weggeblasen. Schon nach den ersten paar Takten gingen die Zuschauer dermaßen mit, als ob sie seine Zombie-Marionetten auf Speed wären. Ein Tipp für alle, die es jazzig mögen!

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Tag 5 – Go West!

Nach einem Blick auf die aktuelle Wetterkarte wurde schnell klar: auf nach Antigua! Weiter nach Süden zu laufen macht keinen Sinn mehr, denn der Passat ist da. Und wie! Alleine in der ersten Tageshälfte sind wir schon 75 Seemeilen gesegelt! Das gestrige Etmal war übrigens mit glatt 130sm unser bisher Bestes, mal sehen, ob wir das heute noch toppen können…

Gestern Nacht hatten wir noch einigen Spass mit unserem Spi: wie ich ja im letzten Beitrag erwähnt hatte, nahm der Wind immer mehr zu und wir hatten keine andere Wahl, als ihn zu bergen. Inzwischen wehte es mit 5 Beaufort, in Böen auch mal mehr. Ohne mich jetzt zu sehr in Details zu verlieren, wie sich das Spibergen genau zugetragen hat, gab es jedenfalls eine Situation, in der Andrea am Ruder war und ich vorne am Bug mit beiden Händen die Bergeleine des Segels hielt – und zwar frei schwebend! Zum Glück hatte ich mich mit der Sicherheitsleine am Schiff festgemacht, sonst hätte ich wohl zusammen mit dem Bergekondom dem fliegenden Holländer nachgeeifert ;-). Seit heute Abend pustet es eher mit 6 Beaufort als mit 5. Nach einigen Fehlversuchen mit der Segelführung laufen wir nun nur mit dem Groß im 2. Reff zwischen 5 und 6 Knoten. Es ist stockfinstere Nacht, der Mond, zurzeit sowieso nur eine schmale Sichel, ist längst hinter dem Horizont verschwunden. Die See ist durch den Wind aufgewühlt, die Wellen schlagen zwischen den Rümpfen von unten derart heftig ans Schiff, dass uns die Teller beim Abendessen eine Stepptanzaufführung zum Besten gaben. Überhaupt sind bei diesen Verhältnissen die durch See, Wind und Welle verursachten Geräusche so laut, dass die Freiwache Probleme hat zu schlafen. Außerdem bekommen wir ja normalerweise nur höchstens 4 Stunden Schlaf am Stück, so dass sich inzwischen eine gewisse Dauermüdigkeit an Bord breit gemacht hat :-). Unser größter Respekt gilt hier den Einhandseglern wie z.B. Franz (Hinweis für Nichtsegler: Einhandsegler haben im Allgemeinen zwei Hände. Klingt komisch, ist aber so. Allerdings haben sie keine Crew, sind also ganz alleine an Bord), der mit noch deutlich weniger Schlaf am Stück auskommen muss. Heute haben wir unser letztes rohes Fleisch (leckere Hühnchenschnitzel) gebraten und gegessen. Ab jetzt gibt es nur noch Würstchen aus der Packung, Corned Beef aus der Dose (SPAM ;-)) oder Gemüse. Da wird es höchste Zeit, dass wir unsere Angel auspacken, um etwas Abwechslung in den Speiseplan zu bringen! Übrigens, nicht dass ihr denkt, unser Fotoapparat wäre kaputt: wir haben zurzeit leider keine Möglichkeit, Bilder in vernünftiger Qualität zu posten. Wir werden aber einige Fotos der Atlantiküberquerung nachreichen, sobald wir angekommen sind und wieder „normalen“ Internetzugang haben!

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Tag 4 – Waschtag

Inzwischen wird es an Bord von Tag zu Tag wärmer. Heute war es Andrea sogar so heiß, dass sie am Heck eine kalte Dusche nahm. Ich war da nicht so mutig, bin halt ein Warmduscher ;-). Ich habe einfach bis 14 Uhr gewartet, denn bis dahin hatte sich das Wasser in unserer Solardusche (im Prinzip ein schwarzer Plastikbeutel mit Wasser drin) aufgewärmt. Nach Rasur, Pedi- und Maniküre fühlen wir uns nun wieder viel wohler :-). Nachdem wir seit gestern Mittag bei leichtem Wind den Spinacker gesetzt haben, haben wir immerhin ein Etmal von 126 Seemeilen geschafft. Im Moment nimmt der Wind stetig zu und teilweise kommt die Silence ins surfen. Dabei fahren wir mit über 8 Knoten durchs Wasser, da kommt richtig Freude auf! Allerdings hört der Spass auch irgendwann auf, ich denke wenn der Wind weiter zunimmt, werden wir den Spi bergen müssen. Drückt uns die Daumen, dass wir das problemlos schaffen, denn schließlich haben wir das erst ein Mal gemacht (gestern bei unserem Ausweichmanöver :-)).

Noch ein Hinweis für alle, die uns fleissig Kommentare schreiben: wir bloggen im Moment, indem wir eine E-Mail über das Iridium-Satellitentelefon an unsere Webseite schicken. Die Webseite selbst können wir über diese Verbindung aber nicht anschauen, da sie dafür viel zu langsam ist. Daher können wir Eure Kommentare leider erst lesen und beantworten, wenn wir in der Karibik sind und wieder Wifi haben. Bitte kommentiert trotzdem weiter, denn wir freuen uns schon darauf, Eure Anmerkungen, Hinweise, Fragen etc. zu lesen bzw. zu beantworten!

So, jetzt müssen wir uns mal um unseren Spi kümmern, denn gerade sind wir eine Welle mit über 10 Knoten abgesurft. Morgen mehr dazu…

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