Opferfest in Fes

Nachdem uns die beiden Tage in Marrakesch so gut gefallen hatten, beschlossen wir, eine zweite marokkanische Königsstadt zu besuchen: Fes. Insgesamt gibt es vier Königsstädte in Marokko, die anderen beiden sind Rabat, die Hauptstadt, und Meknes. Fes ist die älteste der vier und bei der Medina handelt es sich wohl um die größte mittelalterliche Altstadt der Welt! Mit ihren über 9500 Gässchen, einige kaum mehr als 50cm breit, und über 10000 erhaltenen Bauwerken steht sie als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.
Nach 4 Stunden Zugfahrt durch eine anfangs trockene, wüstenartige Landschaft, die aber alsbald von teils saftig grün bewachsenen Flusstälern durchschnitten wurde, kamen wir diesmal relativ entspannt und ausgeruht an unser Ziel. An unserem Reisetag fand nämlich das muslimische Opferfest statt, das gewöhnlich im engsten Familienkreis begangen wird, so dass kaum jemand unterwegs war. Selbst in der zweiten Klasse hatten wir ein Abteil (fast) für uns alleine.

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Wieder hatten wir am Vorabend ein Riad (Pension) mitten in der Medina gebucht. Die erste Herausforderung war es, dieses im Gewirr der Gassen der Altstadt zu finden.

Stadtplan

Diesmal dachten wir besser vorbereitet zu sein als beim letzten Mal: mit Google Maps hatten wir einen nahegelegenen Platz als Ziel für die Taxifahrt vom Bahnhof ausgesucht und die Koordinaten der Unterkunft in unser GPS einprogrammiert. Die Taxifahrt war dann auch problemlos, der Fahrer schaltete sogar ohne Nachfragen das Taxameter an, was uns nach den Erfahrungen in Marrakesch doch sehr verwunderte. Zu Fuß ging es mithilfe unseres GPS Geräts weiter in Richtung Riad, denn jegliches motorisiertes Vorankommen ist in der Medina untersagt. Die Einheimischen benutzen für Transporte meist Hand- oder für größere Sachen Eselskarren. An diesem Tag waren die meisten dieser Gefährte über und über mit Schaf- und Ziegenfellen beladen, da jede Familie, die es sich irgendwie leisten konnte, für das Opferfest ein Tier geschlachtet hatte.

Lamm Felle

Etwa 30 Meter Luftlinie von unserer Pension entfernt bogen wir in eine kaum einen Meter fünfzig breite, leicht ansteigende Gasse ein, die von überstehenden Häuserwänden fast höhlenartig überdacht war. In nur kurzer Entfernung brannte ein stattliches Feuer, in dem einige Kinder und Jugendliche unter großem Getöse die Köpfe der geopferten Tiere brieten, bis sie, zumindest von außen, völlig verkohlt waren.

Feuer

Nur wenige Meter vor dem Feuer stoppten wir, denn laut unserem GPS hatten wir unser „Ziel erreicht“. Doch leider sahen wir in der Nähe keinen auch noch so kleinen Hinweis auf die Existenz unseres Riads, so dass wir wieder mal fragen mussten. Zwei zufällig vorbeikommende Frauen zuckten ebenfalls mit den Schultern, fragten aber höflicherweise ihrerseits die jungen Feuerteufel um Rat. Einer von Ihnen, Medi, kam näher und zeigte auf ein uns zuvor nicht aufgefallenes stockfinsteres Loch direkt hinter uns. Und tatsächlich, dort befand sich eine winzige Gasse, in der sogar ein strategisch geschickt im Halbdunkel montiertes Schild auf unser Riad hinwies. Wir folgten Medi 15 Meter weit in die pechschwarze Dunkelheit, wo er sogleich begann, wild an eine Tür zu klopfen.

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Leider war niemand zu Hause, aber mithilfe seiner Freunde war die Mobilnummer des Riadbetreibers, Rachid, schnell herausgefunden. Dieser versicherte uns, dass er so schnell wie möglich kommen würde. Um uns die Zeit zu vertreiben, führte uns Medi noch zur nahegelegenen Universität und zur zugehörigen Moschee, in die wir einen kurzen Blick werfen durften.

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Wenig später kam zufällig ein Nachbar des Riads nach Hause, der uns dann sogar mit zu sich in die Wohnung einlud und uns die Wartezeit mit „Berber-Whiskey“ (grüner Tee mit frischen Blättern von wilder Minze) und leckeren selbstgebackenen Keksen versüßte. Unglaublich, diese Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft, die wir hier in Fes erlebten. Ganz anders als in Marrakesch, wo jeder noch so kleine Dienst mit Bakschisch bezahlt werden wollte. Nach einer knappen Stunde kam dann Rachid und zeigte uns unser Zimmer im Riad, das im typisch arabischen Stil gebaut war: die Zimmer sind um einen kleinen Innenhof angeordnet, der gleichzeitig als Belüftungs- und als Lichtschacht dient. Dorthin schauen auch die Fenster der Räume, nach außen gibt es keine. Wie auch, denn gewöhnlich sind auf mindestens drei Seiten andere Häuser angebaut, oder die nächste Hauswand ist nur wenige Zentimeter entfernt. Begeistert von der authentischen Einrichtung der Zimmer, ließen wir uns von Rachid auf die Dachterrasse führen. Der Ausblick von dort oben war einfach gewaltig! Man konnte die ganze Medina überblicken: all die kleinen Häuschen und Gässchen waren in das orange-rote Licht der gerade untergehenden Sonne getaucht. Einfach wunderschön! Wobei, nach längerer Betrachtung und nach der Adaption des Auges an das abendliche Licht, fielen uns auch tausende Satellitenantennen auf, die das mittelalterliche Stadtbild empfindlich störten. Aber, man kann eben nicht alles haben: die Stadt lebt und muss mit der Zeit gehen!

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Aufgrund des Opferfests waren leider die meisten Straßenbuden geschlossen, so dass uns Rachid in ein Restaurant führte, in dem wir zwei Spezialitäten von Fes kosten durften: Harira, eine sehr leckere Linsensuppe mit Kichererbsen, und Pastilla, eine mit Fleisch und Mandeln gefüllte und mit Zimt und Puderzucker bestäubte Pastete.

Pastille

Nach einer ruhigen Nacht (wir waren die einzigen Gäste im Riad!) und einem opulenten Frühstück auf der Dachterrasse, wurden wir von unserer Führerin Coca abgeholt, die wir diesmal gebucht hatten, um nicht wie in Marrakesch im Labyrinth der Medina verloren zu gehen.

Frühstück

Nacheinander schauten wir uns den Mokripalast, in dem sich heute eine Kunstschule befindet, die Medersa Bou Inania, das blaue Tor, eine Weberei und die Gerberei an.

Mokril1 Mokril2 Mokril3Gasse1Inania3 Inania1 Inania2 Weberei Gerberei Gerberei2 Moschee2 Moschee1

Nachmittags besichtigten wir noch auf eigene Faust den außerhalb der Medina gelegenen, riesigen Königspalast (leider nur von außen möglich) und stiegen zum Sonnenuntergang zu den Merinidengräbern hinauf, von denen wir abermals einen atemberaubenden Ausblick auf die Medina geniessen konnten.

KönigspalastGräber2 Gräber1 Gräber3

Nach einem wiederum sehr ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse machten wir uns auf die Rückfahrt nach Mohammedia. Dort angekommen, wurden wir auf dem Rückweg zum Hafen von einer marokkanischen Familie, die an einer Straßenecke das übrige Fleisch vom Opferfest grillte, spontan zu einigen köstlichen Lammspießen und Tee eingeladen. Einfach nur so, weil wir gerade vorbeikamen. Wir sind wirklich beeindruckt von Land und Leuten, deren Gastfreundschaft grenzenlos ist.

Wenn uns das Wetter hold ist, und wir es schaffen, hier auszuchecken (das Opferfest ist  immer noch im Gange), werden wir morgen Richtung Essaouira aufbrechen, wo wir einen weiteren Zwischenstopp in Marokko einlegen möchten.

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