In Marokko hauen einem sogar die Geldautomaten übers Ohr

In Essaouira machten wir unseren letzten Stopp in Marokko. Mittlerweile sind wir übrigens zu viert an Bord, weil wir in Mohammedia noch zwei junge Schweizer mitgenommen haben, die per Anhalter unterwegs sind.

Leider war es in Essaouira sehr windig und unser Ankerplatz somit nicht gerade ruhig. Es lief einiges an Schwell in die Bucht und nach einer nicht sehr angenehmen Nacht beschlossen wir im Hafen zu fragen, ob sie nicht ein Plätzchen für uns hätten. Die Capitainerie war über Funk leider nicht erreichbar (die schalten das Funkgerät wohl aus, wenn zu viel Arbeit droht) und somit fuhren wir mit unserem Dingi in den Hafen und wurden persönlich beim Hafenmeister vorstellig. Er sagte uns, dass er auf jeden Fall einen Platz für uns hätte und als wir fragten, wo dieser Platz denn sei (der Hafen war nämlich proppenvoll), meinte er, wir sollen einfach an dritte Position neben das schwedische Boot im Hafen gehen. Ach so macht man das hier, wenn man keine freien Plätze mehr hat. Eigentlich ist der Hafen nämlich ein reiner Fischerhafen und hat genau einen Platz für eine Yacht.

Also fuhren wir mit dem Dingi zurück zu unserem Boot, gingen Anker auf und fuhren in den Hafen. Die Schweden, an denen wir anlegen sollten, hatten dummerweise ein kleineres Boot als wir und deshalb beschlossen wir, dass es besser wäre, wenn wir in die Mitte des Päckchens gehen und die Schweden nach außen. Also machten die Schweden die Leinen von dem Boot, das am Steg lag, los und den Platz frei für uns. Doch als wir gerade an dem Boot am Steg festmachen wollten, rief uns der Bootseigner zu, dass wir das Manöver abbrechen sollen, weil er nicht möchte, dass wir an seinem Boot festmachen. Nach einiger Diskussion fuhren wir wieder ein paar Meter weg und die Schweden legten wieder an. Wir versuchten die Capitainerie zu erreichen, aber diese war mittlerweile geschlossen und weit und breit kein Mensch zu sehen.

So dümpelten wir also im Hafenbecken und wussten nicht so recht, was wir jetzt tun sollten. Ganz außen hatte noch ein Kat an der Seenotrettung festgemacht und wir fragten, ob wir an diesem Kat längsseits gehen könnten. Leider lehnte der Skipper des Kats ab, weil er sich bereits am Vortag eine Klampe zerbrochen hatte, da anscheinend im Hafen zuweilen eine starke Strömung herrscht. Also dümpelten wir weiter im Hafenbecken. Mittlerweile war schon mehr als eine Stunde vergangen und wir hatten noch keinen Hafenplatz. Also entschieden wir, aus dem Hafen hinauszufahren und notgedrungen wieder zu ankern. Als wir gerade hinausgefahren waren, sahen wir auf einmal den Hafenmeister an Bord der Seenotrettung und er winkte uns, dass wir wieder zurück kommen sollten. Also kehrten wir wieder um und er bedeutete uns, dass wir längsseits an den Kat gehen sollten. Dies löste natürlich eine heftige Diskussion mit dem Skipper des Kats aus, die darin endete, dass er zu uns herüberrief, dass wir auf gar keinen Fall eine Leine an seinem Boot festmachen dürften.  Also machten uns die Angestellten an Pollern an Land „fest“. Danach bewegten wir uns so heftig hin und her, dass wir beschlossen, dass dies überhaupt keinen Sinn macht. Also legten wir wieder ab und fuhren stinksauer wieder raus und zurück an unseren vorherigen Ankerplatz. Diese Aktion hatte uns den ganzen Nachmittag gekostet und wir konnten gerade noch so in der Dämmerung wieder unseren Anker werfen. Und dann stand uns eine sehr unruhige Nacht bevor.

Gegen 23 Uhr beschlossen wir, dass wir einen Heckanker ausbringen müssen. Die Wellen wurden immer höher und unser Boot drehte sich ständig quer zur Welle, was äußerst unangenehm war. Da wir das erst zum zweiten Mal machten, brauchte es uns drei Anläufe bis wir es endlich richtig geschafft hatten. Die Wellen wurden immer heftiger und wir waren uns absolut nicht sicher, ob unsere Anker halten werden. Also schoben wir bis um 5:00 Uhr morgens Ankerwache, bis wieder die Flut kam und sich alles etwas beruhigt hatte. Es war also alles andere als eine angenehme Nacht.

Am nächsten Tag erkundeten wir dann endlich Essaouira (dies war uns von allen Marokkanern wärmstens empfohlen worden), waren jedoch eher etwas enttäuscht von der Stadt. Außer Sandstränden, dem stinkenden Fischerhafen, einer kleinen Medina und ziemlich spektakulären Wellenbrechern hatte die Stadt eigentlich nicht viel zu bieten. Aber dafür hatten wir noch ein tolles Erlebnis mit einem Geldautomaten. Da wir noch etwas Obst und Gemüse kaufen wollten, wollten wir 150 Dirham abheben. Also gaben wir am Automat den gewünschten Betrag ein und erfuhren dann, dass dieser Betrag nicht möglich sei, uns der Automat aber gerne 100 Dirham geben könne. Das war uns dann aber doch etwas zu wenig. Also, Aktion abgebrochen und noch mal aufs neue die Karte rein, Geheimzahl eingegeben und dieses Mal drückten wir 200 Dirham. Der Geldautomat ratterte und spuckte 300 Dirham aus. Zuerst freuten wir uns riesig, aber als die Quittung dann ebenfalls über 300 Dirham lautete, sahen wir uns ziemlich entgeistert an. Anscheinend hatte der Geldautomat selbständig entschieden, dass wir doch ruhig noch etwas mehr Geld ausgeben könnten. Unglaublich, in Marokko veräppeln einem nicht nur die Händler, sondern auch die Geldautomaten!

Blick aufs Meer Fischerboote Hafen Fischerboote Möwen Fischerboote Turm TeeGischt Hafenmauer

Am Freitag morgen holten wir uns dann unsere Ausreisestempel bei der Polizei und begannen unsere Überfahrt zu den Kanaren. Es war recht angenehmer Wind gemeldet, so dass wir hofften, die ganze Strecke segeln zu können. Doch wieso sollte ausgerechnet dieses Mal der Wetterbericht stimmen?! Zuerst hatten wir viel zu wenig Wind zum Segeln und mussten 16 Stunden motoren. Doch dann setzte der Wind ein und wir segelten wunderschön. Nach ein paar Stunden wurde der Wind jedoch immer heftiger, so dass wir ins erste Reff gingen. Der Wind wurde abermals heftiger und wir gingen ins zweite Reff. Kaum eine Stunde später gab es Böen von über 30 Knoten und wir entschieden für die Nacht das dritte Reff einzubinden. Und so sollte es dann auch bleiben bis nach Lanzarote. Natürlich nahmen auch die Wellen entsprechend dem Wind zu und es wurde ganz schön ruppig. Wir waren richtig froh, als wir am Sonntag in Lanzarote ankamen und hier liegen wir nun vor einer kleinen Nachbarinsel (Graciosa) vor Anker. Dummerweise hat es hier immer noch sehr viel Wind, so dass wir vorgestern zwar kurz an Land konnten, gestern und heute war es uns allerdings etwas zu riskant das Boot alleine zu lassen. Nun hoffen wir mal, dass sich der Wind morgen wieder etwas legt, so dass wir noch etwas die Insel erkunden können.

Tunfisch Lanzarote1 Graciosa Geocache Graciosa1

Wir wollen uns hier noch einige Tage erholen, bevor wir dann mit unserem Marathon-Arbeitseinsatz beginnen. In Puerto Calero wollen wir das Boot aus dem Wasser holen und haben ein straffes Programm abzuarbeiten, damit unser Boot startklar ist für die Atlantiküberquerung.

Opferfest in Fes

Nachdem uns die beiden Tage in Marrakesch so gut gefallen hatten, beschlossen wir, eine zweite marokkanische Königsstadt zu besuchen: Fes. Insgesamt gibt es vier Königsstädte in Marokko, die anderen beiden sind Rabat, die Hauptstadt, und Meknes. Fes ist die älteste der vier und bei der Medina handelt es sich wohl um die größte mittelalterliche Altstadt der Welt! Mit ihren über 9500 Gässchen, einige kaum mehr als 50cm breit, und über 10000 erhaltenen Bauwerken steht sie als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.
Nach 4 Stunden Zugfahrt durch eine anfangs trockene, wüstenartige Landschaft, die aber alsbald von teils saftig grün bewachsenen Flusstälern durchschnitten wurde, kamen wir diesmal relativ entspannt und ausgeruht an unser Ziel. An unserem Reisetag fand nämlich das muslimische Opferfest statt, das gewöhnlich im engsten Familienkreis begangen wird, so dass kaum jemand unterwegs war. Selbst in der zweiten Klasse hatten wir ein Abteil (fast) für uns alleine.

Zug0 zug1

Wieder hatten wir am Vorabend ein Riad (Pension) mitten in der Medina gebucht. Die erste Herausforderung war es, dieses im Gewirr der Gassen der Altstadt zu finden.

Stadtplan

Diesmal dachten wir besser vorbereitet zu sein als beim letzten Mal: mit Google Maps hatten wir einen nahegelegenen Platz als Ziel für die Taxifahrt vom Bahnhof ausgesucht und die Koordinaten der Unterkunft in unser GPS einprogrammiert. Die Taxifahrt war dann auch problemlos, der Fahrer schaltete sogar ohne Nachfragen das Taxameter an, was uns nach den Erfahrungen in Marrakesch doch sehr verwunderte. Zu Fuß ging es mithilfe unseres GPS Geräts weiter in Richtung Riad, denn jegliches motorisiertes Vorankommen ist in der Medina untersagt. Die Einheimischen benutzen für Transporte meist Hand- oder für größere Sachen Eselskarren. An diesem Tag waren die meisten dieser Gefährte über und über mit Schaf- und Ziegenfellen beladen, da jede Familie, die es sich irgendwie leisten konnte, für das Opferfest ein Tier geschlachtet hatte.

Lamm Felle

Etwa 30 Meter Luftlinie von unserer Pension entfernt bogen wir in eine kaum einen Meter fünfzig breite, leicht ansteigende Gasse ein, die von überstehenden Häuserwänden fast höhlenartig überdacht war. In nur kurzer Entfernung brannte ein stattliches Feuer, in dem einige Kinder und Jugendliche unter großem Getöse die Köpfe der geopferten Tiere brieten, bis sie, zumindest von außen, völlig verkohlt waren.

Feuer

Nur wenige Meter vor dem Feuer stoppten wir, denn laut unserem GPS hatten wir unser „Ziel erreicht“. Doch leider sahen wir in der Nähe keinen auch noch so kleinen Hinweis auf die Existenz unseres Riads, so dass wir wieder mal fragen mussten. Zwei zufällig vorbeikommende Frauen zuckten ebenfalls mit den Schultern, fragten aber höflicherweise ihrerseits die jungen Feuerteufel um Rat. Einer von Ihnen, Medi, kam näher und zeigte auf ein uns zuvor nicht aufgefallenes stockfinsteres Loch direkt hinter uns. Und tatsächlich, dort befand sich eine winzige Gasse, in der sogar ein strategisch geschickt im Halbdunkel montiertes Schild auf unser Riad hinwies. Wir folgten Medi 15 Meter weit in die pechschwarze Dunkelheit, wo er sogleich begann, wild an eine Tür zu klopfen.

DarMoula1 DarMoula2

Leider war niemand zu Hause, aber mithilfe seiner Freunde war die Mobilnummer des Riadbetreibers, Rachid, schnell herausgefunden. Dieser versicherte uns, dass er so schnell wie möglich kommen würde. Um uns die Zeit zu vertreiben, führte uns Medi noch zur nahegelegenen Universität und zur zugehörigen Moschee, in die wir einen kurzen Blick werfen durften.

Uni1 Uni2

Wenig später kam zufällig ein Nachbar des Riads nach Hause, der uns dann sogar mit zu sich in die Wohnung einlud und uns die Wartezeit mit „Berber-Whiskey“ (grüner Tee mit frischen Blättern von wilder Minze) und leckeren selbstgebackenen Keksen versüßte. Unglaublich, diese Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft, die wir hier in Fes erlebten. Ganz anders als in Marrakesch, wo jeder noch so kleine Dienst mit Bakschisch bezahlt werden wollte. Nach einer knappen Stunde kam dann Rachid und zeigte uns unser Zimmer im Riad, das im typisch arabischen Stil gebaut war: die Zimmer sind um einen kleinen Innenhof angeordnet, der gleichzeitig als Belüftungs- und als Lichtschacht dient. Dorthin schauen auch die Fenster der Räume, nach außen gibt es keine. Wie auch, denn gewöhnlich sind auf mindestens drei Seiten andere Häuser angebaut, oder die nächste Hauswand ist nur wenige Zentimeter entfernt. Begeistert von der authentischen Einrichtung der Zimmer, ließen wir uns von Rachid auf die Dachterrasse führen. Der Ausblick von dort oben war einfach gewaltig! Man konnte die ganze Medina überblicken: all die kleinen Häuschen und Gässchen waren in das orange-rote Licht der gerade untergehenden Sonne getaucht. Einfach wunderschön! Wobei, nach längerer Betrachtung und nach der Adaption des Auges an das abendliche Licht, fielen uns auch tausende Satellitenantennen auf, die das mittelalterliche Stadtbild empfindlich störten. Aber, man kann eben nicht alles haben: die Stadt lebt und muss mit der Zeit gehen!

DarMoula3 Medina1 Medina2

Aufgrund des Opferfests waren leider die meisten Straßenbuden geschlossen, so dass uns Rachid in ein Restaurant führte, in dem wir zwei Spezialitäten von Fes kosten durften: Harira, eine sehr leckere Linsensuppe mit Kichererbsen, und Pastilla, eine mit Fleisch und Mandeln gefüllte und mit Zimt und Puderzucker bestäubte Pastete.

Pastille

Nach einer ruhigen Nacht (wir waren die einzigen Gäste im Riad!) und einem opulenten Frühstück auf der Dachterrasse, wurden wir von unserer Führerin Coca abgeholt, die wir diesmal gebucht hatten, um nicht wie in Marrakesch im Labyrinth der Medina verloren zu gehen.

Frühstück

Nacheinander schauten wir uns den Mokripalast, in dem sich heute eine Kunstschule befindet, die Medersa Bou Inania, das blaue Tor, eine Weberei und die Gerberei an.

Mokril1 Mokril2 Mokril3Gasse1Inania3 Inania1 Inania2 Weberei Gerberei Gerberei2 Moschee2 Moschee1

Nachmittags besichtigten wir noch auf eigene Faust den außerhalb der Medina gelegenen, riesigen Königspalast (leider nur von außen möglich) und stiegen zum Sonnenuntergang zu den Merinidengräbern hinauf, von denen wir abermals einen atemberaubenden Ausblick auf die Medina geniessen konnten.

KönigspalastGräber2 Gräber1 Gräber3

Nach einem wiederum sehr ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse machten wir uns auf die Rückfahrt nach Mohammedia. Dort angekommen, wurden wir auf dem Rückweg zum Hafen von einer marokkanischen Familie, die an einer Straßenecke das übrige Fleisch vom Opferfest grillte, spontan zu einigen köstlichen Lammspießen und Tee eingeladen. Einfach nur so, weil wir gerade vorbeikamen. Wir sind wirklich beeindruckt von Land und Leuten, deren Gastfreundschaft grenzenlos ist.

Wenn uns das Wetter hold ist, und wir es schaffen, hier auszuchecken (das Opferfest ist  immer noch im Gange), werden wir morgen Richtung Essaouira aufbrechen, wo wir einen weiteren Zwischenstopp in Marokko einlegen möchten.

Zweiter Klasse nach Marrakesch

Am Samstag kamen wir nach 36 Stunden Fahrt in Mohammedia an. Bei Nacht aus Gibraltar herauszufahren war recht spannend, weil hier sehr viele Schiffe unterwegs waren und eines davon uns auch noch unbedingt rammen wollte.

AIS

Auch die Einfahrt in den Hafen von Mohammedia war nicht ereignislos: an einem der Stege stand ein Herr, der uns winkend die Richtung wies und während wir auf den netten Mann schauten, hätten wir fast zwei Mourings übersehen, die von Fischerbooten quer über die halbe Hafeneinfahrt gingen. Wir waren mit dem Kiel bereits drüber und Kai konnte im letzten Moment noch volle Fahrt rückwärts geben, sonst hätten wir uns bestimmt total in den Leinen verheddert.

Fischerboote MohammediaHafen

Und dann erwarteten wir mit Spannung die Ankunft der Herren von Zoll, Einwanderungsbehörde und Cost Guard. In unserem Revierführer hatten wir gelesen, dass die Formalitäten mehrere Stunden in Anspruch nehmen können und eventuell vom Zoll das ganze Boot auf den Kopf gestellt wird. Uns war etwas bange vor dieser Prozedur.

Nach ca. einer halben Stunde tauchten auch schon drei Herren auf, machten es sich in unserem Salon bequem und packten einige Formulare aus. Sie selbst füllten ein paar davon aus, Kai durfte auch eines ausfüllen und ich servierte derweil schöne kalte Cola, Orangensaft und Kekse. Wir erwähnten so nebenbei, dass wir noch nie in Marokko waren und planen nach Marrakesch zu fahren und auf einmal fingen alle drei gleichzeitig an, auf uns einzureden und uns zu erklären, was wir in Marrakesch alles anschauen müssten. Für einen Europäer, der nicht gewusst hätte, um was es geht, hätte es sicherlich wie ein handfester Streit geklungen, denn die Herren wurden immer lauter. Unglaublich wie nett die drei waren und die Formalitäten waren ruckzuck erledigt. Nachdem wir erklärt hatten, dass wir keine Waffen an Bord haben, wollte auch niemand unser Boot durchsuchen und sie scherzten sogar mit uns, dass wir in einer Gefahrensituation einen Schuss mit unseren Signalraketen abgeben könnten und sie kämen uns dann mit ihren Waffen zu Hilfe. Es war wirklich ein sehr herzlicher und lustiger Empfang!

Gleich am Abend buchten wir noch eine kleine Pension in Marrakesch und am nächsten Morgen packten wir ein paar Klamotten in unsere Rucksäcke und machten uns auf zum Bahnhof von Mohammedia. Dort wurden wir vor eine schwere Wahl gestellt: sollten wir zwei Tickets für die zweite Klasse (für €10,- pro Person) oder lieber für die erste Klasse (für €15,-) kaufen? Beides war spottbillig für eine Fahrt von 250 km, aber irgendwie reise ich lieber authentisch und somit entschieden wir uns für Tickets für die zweite Klasse (welch eine dumme Entscheidung!). Der Zug kam an, wir stiegen ein und standen mit ca. 10 anderen Leuten zwischen zwei Waggons. Zuerst hatten wir noch die Hoffnung, dass sich dieser Stau gleich auflösen würde, doch die Hoffnung war leider falsch. Dies sollte für die nächsten 4 Stunden unser Platz sein, den wir im Laufe der Fahrt auch noch vehement verteidigen mussten, denn der Zug wurde immer voller. An einer Haltestelle zählte ich 7 Leute, die aus unserer Tür ausstiegen und dafür stiegen 15 zu. Glücklicherweise kam irgendwann jemand auf die glorreiche Idee, das ganze Gepäck in die Toilette zu schaffen, so dass wir wieder etwas mehr Platz für unsere Füße hatten. Durch die vielen Menschen wurde es auch immer wärmer und irgendwann sackte mir total der Kreislauf weg. Jetzt war mir alles egal: ich setzte mich mitten in dem Gedränge auf den schmutzigen Boden und stand erst kurz vor Marrakesch wieder von meinem „Sitzplatz“ auf. Welch ein Glück, dass wir immerhin die ganze Fahrt eine der Türen offen hatten, so dass etwas frische Luft hereinkommen konnte 😉 Und wenn das mal keine authentische marokkanische Zugfahrt war!

Zugfahrt1Ankunft Bahnhof

In Marrakesch fuhren wir mit einem Taxi zu einem kleinen Platz und den Rest mussten wir zu Fuß zurücklegen, denn unsere Pension lag mitten in der Medina (Alstadt), in der keine Autos fahren, dafür aber umso mehr Fahrräder, Mofas, Roller und Eselskarren. Es war ein heilloses Durcheinander und wir verirrten uns prompt. Völlig k.o. und verschwitzt kamen wir in unserem Riad an und hier erlebten wir die erste Überraschung. Die Kontraste sind unglaublich. Während draußen total der Lärm war, überall Menschen redeten, Mofas hupten, Fahrräder und Eselskarren quietschten, herrschte hier eine unglaubliche Stille. Wir waren nur wenige Meter von dem ganzen Treiben entfernt und man hörte überhaupt nichts mehr davon. Unsere Pension war genauso schön, wie sie im Internet beschrieben war und kostete lediglich €40,- pro Nacht (falls mal jemand von Euch nach Marrakesch möchte, kann ich das Riad Ghemza wärmstens empfehlen). Wir waren in einer Oase der Ruhe gelandet.

Verkehr2 Schaf auf Auto TankstelleVerkehr in MedesaEingang Riad1 Riad Hof

Nach einer kleinen Pause stürzten wir uns wieder ins Treiben und schlenderten durch die Souks. Wir besichtigten die Gerberei der Berber, wo jeder von uns ein Sträußchen Minze in die Hand gedrückt bekam. Nachdem wir wohl etwas verdutzt geschaut haben, sagte man uns, dies sei eine „Berber gas mask“ und ihr könnt glauben, dass wir während der Besichtigung sehr glücklich über dieses Sträußchen waren, denn es stank bestialisch!

Gerber

Abends gingen wir zum berühmtesten Platz in Marrakesch, dem Jemaa el Fna. Wir hatten im Internet gelesen, dass hier abends der Bär tanzt und es Schlangenbeschwörer, Feuerschlucker u.v.m. gibt. Ach waren wir enttäuscht: überall spielten kleine Gruppen arabische Musik, die Frauen boten Henna-Tatoos an und es gab unzählige Essensstände. Es war sehr viel los, aber von Schlangenbeschwörern und ähnlichem war keine Spur. Aber dafür war die berühmte Moschee wunderbar beleuchtet und wir genossen einfach so das bunte Treiben um uns herum, bevor wir zu unserem Riad zurückkehrten (wir verliefen uns natürlich wieder und mussten einen kleinen Jungen bitten uns hinzuführen) und todmüde ins Bett fielen.

Koutuobia Moschee

Gestern ging es dann nach einem fantastischen Frühstück und ausgestattet mit einem Stadtplan inklusive vieler toller Besichtigungstipps, die uns der „Nachtwächter“ unseres Riads gegeben hatte, auf große Erkundungstour. Nachdem wir uns am Vortag ja mehrfach verlaufen hatten, waren wir jetzt schlauer und nahmen unser GPS mit, in das wir die Koordinaten der ganzen Sehenswürdigkeiten eintrugen. Das war eine unglaublich gute Idee von Kai, denn auf diese Art und Weise fanden wir alle Stationen, ohne uns auch nur ein einziges Mal zu verlaufen. Zuerst besichtigten wir das Palais Bahia und die Tombeaux Saadiens (warum hatten wir eigentlich mit der Alhambra solch einen Aufwand betrieben; die Paläste, Gräber und Koranschulen hier sind genauso beeindruckend). Danach ging es in Richtung Jardin Majorelle.

Palais Bahia1Palais Bahia2
Tombeaux4Tombeaux2Tombeaux3

Glücklicherweise kamen wir auf unserem Weg dorthin über den Platz Jemaa el Fna. Bei Tag sah er völlig anders aus: die ganzen Fressbuden waren verschwunden und dafür waren tatsächlich die Schlangenbeschwörer da. Sie hatten sowohl kleine Vipern wie auch große Kobras dabei und wir haben jetzt ein paar fantastische Fotos.

Kobra

Dann ging es wie gesagt zum Garten Majorelle, ebenfalls eine Oase der Ruhe inmitten des ganzen Lärms und danach schauten wir uns auf dem Weg zu unserem Riad noch die berühmte ehemalige Koranschule Medersa Ben Youssouf an, die lediglich 100m von unserer Unterkunft entfernt war.

Jardin Majorelle2 Jardin Majorelle1 Jardin Majorell3 Koranschule1 Koranschule2

Nach einer ausgedehnten Siesta stürzten wir uns nochmals in die Souks und bestaunten die ganzen bunten Stände und die vielen schönen Dinge, die hier angeboten werden.

Souk Nacht1 Souk Nacht

Eigentlich wollten wir noch in einem Restaurant Abendessen gehen, aber da wir mittags mal wieder an allen möglichen Ständen Essen wie z.B. Lamm-Hackfleisch-Spieße (6 Spieße inkl. Fladenbrot für umgerechnet €1,50) , Zwiebel-Tomaten-„Tortillas“, frische Ananas, Sesam-Erdnüsse, u.v.m. gegessen hatten, waren wir überhaupt nicht mehr hungrig.

Essen Grill1 Essen Grill2

Also genossen wir auf der Panorama-Terrasse des Café de France den Sonnenuntergang über dem Platz Jemaa el Fna und aßen danach lediglich noch eine traditionelle Tajine auf dem großen Platz.

Koutoubia Nacht1 Koutoubia Nacht2

Danach bestaunten wir das Gewimmel in der Kasbah und machten uns durch das Straßengewirr erneut zurück auf den Weg zu unserem Riad. Nachts wird einem der Weg noch zusätzlich erschwert, weil einige Tore geschlossen werden und man somit auch noch Umwege laufen muss. Als ob es nicht schon genug wäre, dass man sowieso nichts wiedererkennt, weil die geschlossenen Shops nun alle gleich aussehen und eine Gasse sowieso der anderen gleicht! Aber dank unseres GPS fanden wir unser Riad wieder, wir kamen nur unerklärlicherweise diese Mal aus einer völlig anderen Richtung.

Heute haben wir noch die Maison de la photographie besichtigt und jetzt befinden wir uns gerade im Zug auf der Rückfahrt nach Mohammedia. Drei Mal dürft Ihr raten, welche Kategorie Tickets wir dieses Mal gewählt haben: wer braucht schon Authentizität, wenn man erster Klasse so viel besser reist 😉

Zugfahrt2 Aussicht Zug2 Aussicht Zug1