Man spricht hoggemarisch

Glücklicherweise legte der Wind in den letzten Wochen wieder etwas zu, so dass wir recht oft kiten konnten und unsere Tage nicht nur der Bootspflege oder anderen Arbeiten widmen mussten 😉

So kiteten wir fast jeden Tag ein paar Stündchen und probierten uns auch an einigen neuen Tricks. Doch das war leider nicht so eine gute Idee. Denn während Kai weiterhin an seinen jumped Transitions mit dem Surfbord arbeitet (dabei „olliet“ man das Surfboard in die Hand, hebt leicht von der Wasseroberfläche ab, dreht das Bord dann und wirft es vor sich aufs Wasser; idealerweise sollte man dann mit den Füßen auf dem Surfboard landen, aber der letzte Teil klappt bei ihm leider noch nicht so ganz), versuchte ich mich an Frontrolls. Die ersten beiden klappten überhaupt nicht, weil ich mich nur halb drehte, doch dann klappte es immer besser. Bis ich dann plötzlich bei der Landung irgendwie die Bar verrissen habe und der Kite mit voller Wucht aufs Wasser knallte und es ihn fast komplett in zwei Teile zerriss. Ich traute meinen Augen nicht: unser schöner nur 18 Monate alter Kite war kaputt!

Doch es war ja klar: wenn endlich mal nichts am Boot kaputt geht, muss natürlich etwas anderes kaputt gehen. Aber dass es ausgerechnet einer unserer Kites sein musste, stimmte uns schon sehr traurig. Zumal es ein sehr großer Riss war und wir uns nicht sicher waren, ob wir überhaupt genügend Tape haben, um in zu reparieren.

So kramten wir also am nächsten Tag all unsere Kitereparatur-Sets und unser Spi-Tape zusammen, doch es reichte natürlich nicht. Aber wir hatten Glück im Unglück, denn Jean-Yves hatte auch noch einiges an Spi-Tape und so schafften wir es tatsächlich alle Risse zu kleben. Dann bügelten wir, mit einem ebenfalls von Jean-Yves zur Verfügung gestellten Bügeleisen, nochmals über das Tape, damit der Kleber auch wirklich hält und schließlich nähten wir einmal rund um das gesamte Tape. Alles in allem war das ein Ganztagesprojekt und erst abends um 17 Uhr konnten wir unseren reparierten Kite wieder weg packen. Doch nun blieb noch abzuwarten, ob die Reparatur auch wirklich hält.

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Und vorgestern war es dann endlich so weit, dass wir den passenden Wind hatten, um den Kite zu testen. Langsam pumpten wir ihn auf, starteten ihn und fuhren die erste halbe Stunde ganz vorsichtig. Dann wurden wir etwas mutiger und trauten uns auch wieder zu springen und glücklicherweise hielt er auch dieser Belastungsprobe stand. Die Reparatur ist zwar sicherlich nicht für die Ewigkeit bestimmt, aber wir hoffen, dass sie so lange hält, bis wir irgendwie bzw. irgendwo die Möglichkeit haben einen neuen Kite zu kaufen.

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Und wir sind sehr glücklich, dass wir nun weiterhin hier kiten können, denn es wäre sehr schade gewesen, wenn wir nun ausgerechnet hier, an einem meiner absoluten Lieblingskitespots, nicht mehr hätten kiten können. Leider scheine jedoch nicht nur ich diesen Platz sehr zu lieben, sondern auch jede Menge andere Leute. Während wir vor einigen Wochen mit Jean-Yves und nur einem anderen Boot in der Bucht lagen, waren vor einigen Tagen plötzlich 19 (!) Boote in der Bucht. Und mindestens auf der Hälfte der Boote befanden sich Kitesurfer. Dementsprechend voll war es dann auch am Strand und im Wasser und es waren die verschiedensten Nationalitäten vertreten.

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Lustig war, als uns irgendwann ein Franzose ansprach und fragte, wo in Deutschland wir denn herkämen. Ihm kam unser Dialekt so bekannt vor und er erzählte, dass er in der Schule zum Schüleraustausch in der Partnerstadt von Luneville, nämlich Schwetzingen, gewesen war (für alle, die nicht aus unserer Region kommen: Schwetzingen liegt ca. 10km von Hockenheim entfernt). Da staunten wir nicht schlecht. Aber als er sich dann auch noch an einen Satz erinnerte, den er damals gelernt hatte und zu uns sagte: „Am Dienschtag wor i in Monnem!“, da klappte uns dann doch die Kinnlade herunter. Unglaublich, oder?

Aber es sollte noch besser kommen. In den ganzen neun Wochen, die wir nun schon hier verbracht hatten, waren uns noch nie Deutsche begegnet. Und so freute ich mich, als ich ein paar Tage später am Strand immer mal wieder deutsche Wortbrocken aufschnappte. Ich machte mich auf die Suche nach der Quelle und stieß auf drei andere Kiter, die sich teilweise auf deutsch und teilweise auf englisch miteinander unterhielten. Wir begrüßten uns gegenseitig und bald wurde mir natürlich die typische Frage nach unserer genauen Herkunft gestellt. Da ich bereits gehört hatte, dass es sich auf jeden Fall um Badenser oder eventuell sogar um Kurpfälzer handelt gab ich zur Antwort: „Aus de Näh von Monnem!“ Daraufhin sah mich Mathias erstaunt an und sagte: „ Ah nä ehrlisch, isch bin aus Hoggene!“ Ich dachte, das kann nicht wahr sein. Musste ich mich jetzt nach einer Kamera umsehen? War ich versehentlich bei „Verstehen Sie Spaß?“ gelandet? Man kann doch nicht auf einer winzigen Insel in der Karibik auf einen Hockenheimer treffen. So antwortete ich langsam: „Isch a!“ und da sah ich, wie er mich völlig ungläubig ansah. Wir waren beide total „geplättelt“, wir wir Hoggemer es treffend beschreiben würden.

Natürlich wurden wir sofort auf einen Drink auf das Boot von Mathias eingeladen, wo wir dann gleich noch zum Mittagessen blieben und uns erst am späten Nachmittag verabschiedeten. Ihr könnt Euch nicht vorstellen wie toll das war. Wochenlang hatten wir fast ausschließlich französisch gesprochen, welches mir bei weitem nicht so flüssig über die Lippen kommt wie englisch, wo ich ständig im Kopf Verben durchkonjugieren muss, um die richtige Form zu finden, mir überlegen muss, ob ein Substantiv nun weiblich oder männlich ist, die Vergangenheitsform von diesen blöden unregelmäßigen Verben erraten muss,… Das ist für mich teilweise so anstrengend, dass ich nach einem zweistündigen Gespräch völlig k.o. bin.

Und nun konnte ich „schwätze, wie ma de Schnawwel gwachse isch“! Das war so befreiend und ich fühlte mich so wohl. Auch gab es endlich mal völlig andere Gesprächsthemen als normalerweise. Wir sprachen nicht viel über unsere Boote und unsere Route, sondern tauschten hauptsächlich Erinnerungen an Hockenheim aus. Da Mathias einige Jahre älter ist als wir, taten wir uns anfangs mit gemeinsamen Freunden und Bekannten schwer, doch als Kai dann erwähnte, dass er früher bei den Segelfliegern war und ich erzählte, dass ich mal in der Volksbank gearbeitet hatte, fanden wir dann doch einige gemeinsame Bekannte. Und so verging der Nachmittag wie im Flug. Wir scherzten, flachsten, unkten, … Alles Dinge, die man in einer fremden Sprache oder auch in Hochdeutsch so schwer tun kann.

Es ist unbeschreiblich welch große Verbundenheit man mit einem anderen Menschen spüren kann, nur weil man den gleichen Dialekt spricht! Ich war schon immer stolz auf meinen Dialekt, auch wenn er sicherlich einer der grässlichsten Dialekte Deutschlands ist. Aber diese Erfahrung bestärkt mich umso mehr darin, dass es super ist, wenn man einen Dialekt sprechen kann. Also liebe Leute, gebt doch bitte dieses wichtige Gut an eure Kinder weiter, damit die Dialekte nicht aussterben, und wir Kurpfälzer uns weiterhin in der großen weiten Welt auf Anhieb erkennen und verstehen!

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4 Gedanken zu „Man spricht hoggemarisch

  1. So eine schöne Geschichte. So hab ich das noch nie gesehen mit dem Dialekt.
    Euch weiterhin Mast und Schotbruch. Liebe Grüße aus den Marken (Italien) aus dem Urlaub
    Toby

  2. Die Welt ist klein! Und es gibt auch Vorteile, wenn die Bucht voll ist – da trifft man oft gleich gesinnte 🙂
    Freut mich, dass dann Eure Reparaturen mit „Bordmitteln“ immer wieder erfolgreich sind. Euer Einfallsreichtum rostet auf See bestimmt nicht ein.
    Noch viele grandiose Sprünge und haltbares Material wünschen Euch
    Claudia, Jochen und Jolanda

    PS.: Wir waren gerade 4 Wochen in den Buchten von Sardinien unterwegs und haben oft an Euch und die Karibik gedacht…

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