Nachdem wir die letzten beiden Hurrikan-Seasons in Union Island und Grenada verbracht hatten, wollten wir dieses Jahr mal wieder eine neue Insel in Angriff nehmen: Tobago!
Für unseren Entschluss gab es drei Gründe: zum einen liegt Tobago weit südlich und somit außerhalb des Hurrikan Gürtels. Zum anderen hat die Insel einen schönen Kitespot und auf der zugehörigen Nachbarinsel Trinidad gibt es eine deutsche Botschaft. Da mein Reisepass nächstes Jahr abläuft, muss ich einen neuen beantragen und in der ganzen Karibik gibt es nur zwei Orte, an denen man dies tun kann: Trinidad und Jamaika.
Da Tobago recht weit im Osten liegt und somit von Grenada nur sehr schwer zu erreichen ist, planten wir direkt von Martinique nach Tobago zu segeln.
Doch leider machte uns das Wetter mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Zuerst hatte es für uns Schönwettersegler zu viel Wind. Auf dem Weg nach Tobago herrscht eine sehr starke Gegenströmung (bis zu 2 Knoten!) gegen die es anzukämpfen gilt. Wenn dann noch Wind von 25 Knoten vorhergesagt ist, bedeutet dies in Wirklichkeit normalerweise eher an die 30 Knoten Wind und sehr hohe Wellen. Das wollten wir uns und unserer Silence einfach nicht antun. Und so warteten wir und warteten und warteten, bis „Hurrikan Beryl“ auf die Karibik zukam. Die verschiedenen Wettervorhersagen waren sich lange nicht einig, was da genau kommt und wussten auch nicht wohin (irgendwo zwischen Guadeloupe und St. Vincent), doch mit jedem Tag nahm Beryl immer mehr Kurs auf Martinique. Und natürlich genau auf St. Anne, wo wir gerade mit unserer Silence lagen. Samstag vor einer Woche um 6:00 Uhr morgens waren sich die Wetterfrösche immer noch nicht einig, wo Beryl hinziehen wird und ob er sich kurz vor den Inseln abschwächen wird oder nicht. Und so gingen wir schnell ausklarieren und noch ein letztes Mal zu Leader Price und hissten um 9:30 Uhr die Segel, um nach Bequia zu segeln.
Als wir an St. Lucia vorbei kamen, holte Kai nochmal den aktuellen Wetterbericht und siehe da, Beryl wurde nun nur noch als Tropical Storm angekündigt und er sollte über Dominika ziehen. Super, hätten sie diese Vorhersage nicht ein paar Stunden früher treffen können?! Da wir gerade auf Höhe der Rodney Bay (der größten und sehr geschützten Bucht) waren, brachen wir unseren Segeltörn hier ab und legten uns vor Anker. Denn je weniger weit wir jetzt nach Süden fuhren, umso besser würde unser Winkel für den Törn nach Tobago bleiben.
So warteten wir in St. Lucia ab, bis Beryl vorbeigezogen war. Direkt danach gab es im Wetterbericht zwei Tage mit weniger Wind, bevor es wieder anfangen sollte, wie wild zu blasen. Wir dachten „jetzt oder nie“ und machten unsere Silence Montag Abend startklar für den Törn nach Tobago.
Dienstag früh um 4:45 Uhr gingen wir Anker auf und motorsegelten erst einmal hinter St. Lucia vorbei. Wir buken noch schnell ein Brot, frühstückten und Kai entdeckte, dass sich aus unserem Lazy Bag (der Sack, der vor Anker unser Großsegel beherbergt) hinten eine Latte heraus geschoben hatte. So stieg er mal geschwind auf unser Bimini, schob die Latte wieder rein und nähte die Stelle provisorisch zu. Das war genau rechtzeitig, denn ca. 15 Minuten später fuhren wir in den Kanal zwischen St. Lucia und St. Vincent. Wir hatten ganz schön stürmische See und statt der angekündigten 18-23 Knoten hatten wir 18-28 Knoten. Wow, das ging ja gleich richtig ordentlich los.
Wir waren im 1. Reff gestartet, doch auf Dauer wurde uns das etwas zu ruppig. Wir hatten sehr steile Wellen, die teilweise aus mehreren Richtungen kamen und ständig klatschte uns eine Welle an die Seite und begoss den Steuerstand mit mehreren 100 Litern Salzwasser oder sie krachte von vorne direkt an beide Rümpfe, so dass wir dachten, unser Boot würde in der Mitte auseinander gerissen. Durch die Strömung liefen wir nur mit ca. 7-8 Knoten, durchs Wasser machten wir jedoch zwischen 9-10 Knoten. Und so beschlossen wir doch lieber ins 2. Reff zu gehen und lieber etwas langsamer, dafür aber heil am Ziel anzukommen. Gesagt, getan. Nun liefen wir mit 6-7 Knoten immer noch schnell genug, dafür aber etwas angenehmer.
Aber die See war immer noch sehr konfus und die Wellen steil und mir machte meine Seekrankheit dieses Mal ordentlich zu schaffen. Mir ging es nur gut, wenn ich am Steuerstand saß. Dort wurde ich aber ständig mit Salzwasser geduscht, was ich auch nicht sonderlich angenehm fand. Es gab einfach kein schönes Plätzchen zum Sitzen.
Nachmittags ließ der Wind etwas nach und wir konnten wieder ausreffen, die See war aber weiterhin sehr kabbelig. Während Kai schon bange der Nacht entgegensah, freute ich mich dieses Mal darauf, weil dann normalerweise meine Seekrankheit weg ist.
Wir vereinbarten, dass ich die erste Schicht von 20:00-24:00 Uhr übernehmen würde und Kai mich dann für 4 Stunden ablösen würde. Die Sonne ging unter, doch meine Seekrankheit blieb. Und der Wind ging wieder stetig nach oben. Als wir wieder ständig 26 Knoten auf der Anzeige hatten, beschlossen wir, notgedrungen wieder zu reffen. Die Wellen krachten erneut dermaßen ans Boot, dass ich dachte, uns zerreißt es und mir war kotzübel. Kai zog wieder das 2. Reff ein und beschloss, dass er die erste Schicht übernehmen würde, weil ich zu nichts zu gebrauchen war.
So ging ich ins Bett. Doch da war ich nicht lange. Mir wurde so schlecht, dass ich mich nach 10 Minuten wieder nach oben begab und mit kreidebleichem Gesicht raus zum Steuerstand wankte. Doch auch hier wurde es nicht besser. Ich war total verzweifelt. Normalerweise ging meine Seekrankheit immer weg, sobald ich mich hinlegte und die Augen schloss oder am Steuerstand saß, doch dieses Mal half nichts. So seekrank war ich noch nie!
Ich saß bestimmt eine halbe Stunde am Steuerstand bis es mir endlich wieder halbwegs gut ging und ich in der Lage war, mich im Salon hinzulegen. Zuerst wurde es mir wieder leicht schlecht, doch nach ca. einer Stunde muss ich endlich eingeschlafen sein. Doch ich wurde immer wieder von einem lauten Scheppern und Krachen geweckt, wenn eine besonders steile Welle an unsere Silence krachte. Es war ein Höllenritt!
Um 0:30 Uhr übernahm ich die Nachtwache und saß größtenteils mit geschlossenen Augen da, weil ich sonst wieder seekrank wurde. Alle 15 Minuten stellte ich mir den Wecker und ging einmal auf Rundgang: Blick nach draußen auf die Segel, den Winkel und die Stärke des Winds, rechts und links am Boot vorbei Ausschau nach Booten halten, drinnen ein Blick aufs AIS und auf unsere Kurslinie. Danach wieder 15 Minuten Augen zu. Kai wachte auch immer mal wieder auf, fragte ob alles ok sei und döste dann wieder ein halbes Stündchen ein.
Um 3:00 Uhr nachts ließ der Wind endlich wieder nach, aber dieses Mal ging es manchmal runter auf 14-15 Knoten. Im 2. Reff kamen wir da natürlich nicht mehr so richtig schnell voran, aber wir wollten auch nicht ausreffen, nur um dann eventuell eine Stunde später doch wieder einreffen zu müssen. Und so beschlossen wir, erst einmal abzuwarten.
Kai übernahm um 4:15 Uhr seine zweite Nachtwache und reffte dann schließlich um ca. 5:30 Uhr wieder aus, nachdem wir nur noch 3-4 Knoten liefen. Mittlerweile hatte sich die Gegenströmung in eine seitliche Strömung verwandelt und die Wellen wurden viel angenehmer. Wir kamen wieder mit 7-8 Knoten voran und meine Seekrankheit war fast weg.
Um 7:30 Uhr kamen uns die ersten Fischerboote von Tobago entgegen und wir dachten, wo es Fischer gibt, da muss es auch Fische geben und warfen gleich mal unseren Köder aus. Und siehe da, ca. 40 Minuten später hatte bereits ein schöner Thunfisch angebissen. Er kämpfte wie wild und Kai konnte die Leine am Anfang fast nicht einholen. Doch langsam ermüdete er und nach ca. 20 Minuten hatten wir ihn an Bord. Fürs Abendessen für die nächsten Tage war somit gesorgt.
Wir sahen dies als Belohnung für unseren schrecklichen Segeltörn an. Mittlerweile hatten wir trotz unglaublich diesigem Wetter auch endlich Sicht auf Tobago. Juhuu, wir haben es fast geschafft! Die Wellen wurden immer weniger und mir ging es glücklicherweise immer besser.
Aber dennoch waren wir beide heilfroh, als wir nach 30 Stunden und 190 Seemeilen, unseren Anker in der Store Bay vor einem kleinen Badestrand in den weichen Sand eingraben konnten.
Leider waren die Strapazen damit noch nicht ganz überstanden, denn nun mussten wir noch zum Einklarieren fahren. Doch davon erzähle ich Euch im nächsten Beitrag.