Dieses Jahr haben wir gesundheitsmäßig etwas Pech. Nachdem ich ja so lange mit meinen verschiedenen Erkältungen beschäftigt war, meinte Kai wohl, er müsse sich nun auch mal etwas zulegen. Aber eine normale Erkältung durfte es nicht sein, das wäre ja langweilig.
So zeigte mir Kai am Samstag vor drei Wochen einen etwas angeschwollenen Finger. Es sah nach einer Nagelbettentzündung aus und wir cremten ihn mit Wundsalbe ein und machten ein Pflaster drauf. Am Sonntag sah der Finger dann leicht vereitert aus, so dass wir auf eine Jodsalbe umstiegen. Leider sah der Finger am Montag nicht besser aus, und so gaben uns unsere kanadischen Freunde eine antibakterielle Salbe, mit der wir ihn zwei Mal eincremten und zur Vorsorge nahm Kai auch noch abends eine Ibuprofen.
Am Dienstag weckte Kai mich um 6 Uhr. Er war aufgewacht, weil sein Finger so schmerzte und als er das Pflaster wegnahm, war der Finger total dick angeschwollen und es hatte sich ein riesiger Eiterherd um seinen Fingernagel gebildet. Das sah gar nicht gut aus!
Kai wollte, dass ich ihm die Eiterblase mit einem Skalpell aufschneide, doch das wollte ich nicht riskieren. So holten wir uns noch Rat bei unseren kanadischen Freunden (Susan hatte mal eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht) und waren uns alle schnell einig, dass Kai zum Arzt muss.
Doch das ist hier ja immer leichter gesagt, als getan. Das nächstgelegene Krankenhaus ist in St. John’s und auch der Arzt, der uns von allen empfohlen wurde, ist etwas außerhalb von St. John’s, also auf der anderen Seite der Insel und für uns sozusagen eine halbe Weltreise entfernt. Aber eine andere Wahl hatten wir nicht. So frühstückten wir und setzten uns dann um 9 Uhr ins Dingi, um zum ca. 10 Minuten entfernten Fischersteg zu fahren. Von dort sind es ca. 2 km zu Fuß zum nächsten Dorf, von wo ein Bus nach St. John’s fährt. Glücklicherweise überholte uns jedoch bereits auf der Straße ein Bus, der zwar momentan gar nicht im Dienst war, uns aber dennoch nach St. John’s mitnahm. Dort stiegen wir dann um 10:30 Uhr aus dem Bus und versuchten erst einmal unser Glück beim nahegelegenen Krankenhaus. Nach einem 10 minütigen Fußmarsch öffneten wir die Tür zur Notaufnahme und kippten fast aus den Latschen. Uns starrten etwa 40 Gesichter entgegen und bevor die Tür hinter uns zufiel, waren wir auch schon wieder draußen! Nee, wir wollten doch nicht den ganzen Tag hier in der Notaufnahme verbringen. Da laufen wir lieber die halbe Stunde zum Arzt.
Dort kamen wir dann um ca. 11:15 Uhr ziemlich verschwitzt an. Auch hier saßen zwar schon einige Leute im Wartezimmer, doch wir mussten lediglich eine halbe Stunde warten und dann war Kai auch schon an der Reihe. Ich glaube der Arzt bekam auch einen kleinen Schreck, als er Kais Finger sah und ließ von der Sprechstundenhilfe gleich mal alles zur „OP“ vorbereiten.
Der Finger wurde betäubt und dann schnipfelte und drückte der Arzt ca. 20 Minuten daran herum, bis die Wunde richtig gut ausgespült war. Ich musste mehrmals wegschauen, weil es mir leicht schummerig wurde und Kai hatte sich zur OP auch lieber mal hingelegt, damit er nicht alles mit anschauen musste. Dann bekam er noch einen schönen Verband und ein Rezept für Antibiotika, antibiotische Salbe und Schmerztabletten und es war geschafft!
Eine Apotheke war glücklicherweise gleich nebenan, so dass wir sofort die ganzen Medikamente besorgen konnten. Und neben der Apotheke war praktischerweise ein Supermarkt, in dem wir gleich noch etwas Obst, Gemüse, Butter und Brot einkaufen konnten.
Mit ein paar Rosinenbrötchen als Mittagessen, machten wir uns dann zu Fuß zurück zur Busstation. Hier hatten wir wieder Glück und ein schon fast voller Bus war beinahe bereit zur Abfahrt (die Busse fahren an der Hauptstation erst los, wenn sie bis auf den letzten Platz voll sind). Wir mussten nur ca. 5 Min. warten und dann fuhr der Bus auch schon los. Und in Willikies hatten wir auch wieder Glück, dass wir nicht die einzigen waren, die gerne noch etwas weiter fahren wollten. So ließ der Busfahrer sich breitschlagen, und brachte uns noch bis zur Abzweigung unseres Fischerstegs.
Mittlerweile bekam Kai wieder etwas Gefühl in seinen Finger und wir waren froh über unser perfektes Timing. Denn die Dingifahrt zurück zu unserem Boot war ziemlich holprig, weil es ca. 20 Knoten Wind hatte und wir ganz schön gegen die Wellen ankämpfen mussten. So kamen wir um 15:30 Uhr (nach 6 1/2 Stunden) wieder an unserer Silence an, gerade rechtzeitig bevor Kais Betäubung endgültig nachließ und der Finger anfing zu pochen. Wir waren beide völlig k.o. und legten uns zu einem kleinen Mittagsschlaf hin.
Abends erneuerte ich Kais Verband und auch am Mittwoch versorgten wir die Wunde vormittags und abends und Kai nahm zwei Mal am Tag Antibiotika. Die Wunde sah zwar am Donnerstag etwas besser aus, dafür schwoll jedoch Kais Finger von Tag zu Tag mehr an. Mittlerweile war er ungefähr doppelt so dick wie normal und wir beschlossen, dass wir nicht um einen erneuten Arztbesuch herum kommen.
Also die selbe Prozedur nochmal. Dieses Mal hatten wir sogar noch mehr Glück als beim ersten Mal: auf der Straße nach Willikies nahm uns ein Rastafari mit, der glücklicherweise ebenfalls nach St. John’s fuhr. Er hörte super Reggae-Musik, rauchte einen Joint und sang eifrig mit. Und als er erfuhr, dass wir wegen Kais Finger zum Arzt mussten, fuhr er uns sogar bis vor dessen Haustür! Das war eine unserer angenehmsten Fahrten nach St. John’s. Solche Erlebnisse sind typisch für die Karibik und können einem sogar an einem furchtbaren Tag wieder gute Laune machen.
Leider war der Arzt, bei dem Kai beim ersten Mal war, nicht da und so schaute sich eine Kollegin von ihm Kais Wunde an. Sie war ebenfalls etwas erstaunt, dass Kais Finger so dick war, weil die Wunde eigentlich gut aussah. So verschrieb sie ihm noch ein zweites Antibiotikum und erhöhte die Dosis des ersten.
Der arme Kai wurde die nächsten Tage ganz schön zugepumpt. Die Nebenwirkungen hauten ihn total um und so lag er den größten Teil des Tages im Bett und schlief oder las. Draußen war super Kitewind und er durfte nicht ins Wasser. Ihr könnt euch seine Laune sicherlich gut vorstellen.
Leider half auch das zweite Antibiotikum nicht wirklich und Kais Finger schwoll einfach nicht ab. Das konnte doch nicht wahr sein. Irgendwann kam Kai auf die Idee, dass die Schwellung eventuell gar nicht von der Wunde kommt, sondern von dem Betäubungsmittel, das der Arzt ihm zur OP in den Finger gepumpt hatte. Seine Vermutung war, dass es wegen des Verbands nicht ablaufen konnte und sein Finger deshalb so dick war. So machten wir über Nacht nur noch ein Pflaster um den Finger und siehe da, am nächsten Tag war er etwas abgeschwollen. Der Fortschritt war zwar sehr, sehr langsam aber immerhin gab es nach fast einer Woche endlich einen Fortschritt!
Nach 2 1/2 Wochen hatte sich die Wunde dann fast geschlossen und Kai konnte vor ein paar Tagen endlich wieder kiten gehen und mir auch im Haushalt wieder helfen. Welche Erleichterung!
Liebe Andrea,
Was für ein Erlebnis! Alles Gute für Kai und jetzt bitte wieder positive Nachrichten! Liebe Grüße Stephanie