Endlich wieder ein Lebenszeichen von uns

Schon furchtbar lange plagt mich mein schlechtes Gewissen, weil wir so viele Monate nichts von uns haben hören lassen. Aber je mehr Zeit verging, desto höher wurde der Berg an Erlebnissen und Fotos, die ich euch nicht vorenthalten wollte und irgendwie war nie so richtig Zeit, um alle Berichte nachzuholen.

Doch nun möchte ich endlich mal damit anfangen und direkt an meinen letzten Blogbeitrag vom vergangenen Jahr anknüpfen: Die Verwüstung, die Hurrikan Beryl auf einigen Inseln in den Grenadinen anrichtete, war enorm. Einige Tage nachdem Beryl über Carriacou gezogen war, bekamen wir Fotos von umgekippten Segelbooten auf der Werft und teilweise umgekippten, teilweise gestrandeten Fotos von Booten in den Mangroven zugesandt.

Unsere französischen Freunde hatten ihren Katamaran mit dem Bug voran in die Mangroven gefahren und gut vertäut. Sie hatten die Segel mit Leinen umwickelt, die Solarpanelen und alle sonstigen Teile, die sich losreißen könnten, heruntergenommen und im Innern der Yacht verstaut. Doch als Beryl direkt über sie hinwegbrauste, zerbarst eine Fensterscheibe im Salon und Bernadette musste eine Stunde lang Bretter und Kissen dagegen drücken, damit nicht allzu viel Regenwasser herein peitschte. Sie hörten wie sich Solarpanele von anderen Booten losrissen und durch ihr Rigg schepperten und es brauste und windete wie wild.

Als alles vorüber war, besahen sie sich den Schaden. Zwei Pfeiler ihres Biminis (das Dach draußen über dem Cockpit) waren eingeknickt, eine Seite des Biminis war weggerissen, überall auf dem Deck lagen Splitter und Äste und sie hatten vorne im Rumpf ihres Bootes ein Loch unterhalb der Wasserlinie. Dort hatte sich anscheinend ein Ast der Mangroven in den Rumpf gebohrt und Wasser lief ins Boot.

Klingt alles furchtbar, aber sie hatten Glück im Unglück. Unsere deutsche Freundin, die seit Jahrzehnten in Carriacou lebt, war zur Zeit von Beryl gerade in Deutschland und als sie und ihr Mann zurück kamen, lag ihr Katamaran Kiel oben im Wasser. Ein Totalschaden!

Ich kann nur wiederholen: was waren wir froh, dass wir unsere Silence nach Trinidad gebracht hatten und sie dort sicher auf der Werft stand!

Dort arbeiteten wir 10 Tage in der Hitze, um sie wieder etwas auf Vordermann zu bringen und sie auf unsere Abwesenheit vorzubereiten. Denn letztes Jahr wollten wir sie zum ersten Mal in 11 Jahren für 3 Monate alleine lassen. Wir wollten einfach mal wieder etwas Kultur tanken, Museen besuchen, Freunde treffen, Radfahren und viele andere Dinge tun, die man hier in der Karibik nicht machen kann. Auf gut deutsch: wir brauchten mal etwas Abwechslung von Strand, Sonne, Palmen und Meer! Ich hätte nie gedacht, dass ich hier jemals etwas aus Deutschland vermissen könnte, aber manchmal fehlt auch mir der Komfort eines Autos, die Vielfalt und niedrigen Preise der Lebensmittel in den deutschen Supermärkte, die vielen Museen und Veranstaltungen, ein Bett, das sich nicht bewegt, … Tja, man sehnt sich wohl immer nach dem, was man gerade nicht hat 😉

Und so flogen wir Mitte Juli von Trinidad nach London. Da es keine Direktflüge nach Deutschland gab, nutzen wir die Gelegenheit dieses Zwischenstopps und machten erst einmal 5 Tage London unsicher. Jeden morgen zogen wir los und hatten unzählige Museen und Sehenswürdigkeiten auf unserer To-Do-Liste stehen.

Wir sogen die Ausstellungsstücke in den Museen auf wie ein vertrockneter Schwamm. Jedes Museum erschien uns riesig und absolut überwältigend. Wir konnten nicht genug bekommen von all den Sehenswürdigkeiten. Das bunte Treiben der Artisten und Magier in Covent Garden war ein herrlicher Gegensatz zum grünen und ruhigen Greenwich mit seinem schönen Naval College, dem Maritime Museum, dem Observatorium und natürlich dem Null-Meridian.
Wir besichtigten St. Paul’s Cathedral und hatten vom Dach eine wunderbare Aussicht auf die Innenstadt Londons. In Westminster Abbey besuchten wir den Gottesdienst (nein, ich bin nicht gläubig geworden, aber auf diese Art mussten wir keinen Eintritt zahlen) und lauschten in der herrlichen Akustik dem Chor und dem Orgelspiel. Wir schlenderten durch die zwei berühmtesten Kaufhäuser der Stadt: Harrods und Fortnum & Mason. Wir fuhren mit einem der Ausflugsboote die Themse hoch, besichtigten das britische Museum, die National Gallery und die National Portrait Gallery. Wir ließen uns über Piccadilly Circus und durch China Town treiben, sahen uns den Buckingham Palace, Houses of Parliament, Big Ben, den Tower, the Shard, London Eye und viele andere Dinge von außen an. Wir schlenderten durch den Hyde Park und stolperten am Trafalgar Square in ein kostenloses Konzert des London Symphony Orchestra. Welch ein grandioser Zufall und welch tolle Ruhepause in dem ansonsten so quirligen London.

Selbst die U-Bahn-Station, in deren Nähe unsere Unterkunft lag, war eine Sehenswürdigkeit für sich. Alfred Hitchcock war in Leighton aufgewachsen und so zieren die Wände der Station unzählige Mosaiken mit Szenen aus seinen Filmen.

Ich glaube wir haben in 5 Tagen mehr Sehenswürdigkeiten und Museen gesehen, als in den vorangegangenen 11 Jahren. Wir waren absolut geflasht!

Hurrikan Beryl verwüstet Carriacou

Vor nicht ganz zwei Wochen klarierten wir noch in Carriacou ein und saßen danach gemütlich mit einem Eis vorm Supermarkt. Wir waren durch das kleine Örtchen in der Tyrell Bay geschlendert und hatten es genossen nach 4 Jahren endlich mal wieder hier zu sein.

Leider wurde heute morgen Carriacou von Hurrikan Beryl komplett zerstört.

Schon seit mehreren Tagen hatten wir die Wettervorhersage aufmerksam verfolgt. Es war wieder einmal eine tropische Welle von den Kapverden losgezogen, die auf dem Atlantik immer mehr Fahrt aufnahm. Zuerst wurde von einem tropischen Sturm gesprochen, dann von einem Hurrikan und von Wetterbericht zu Wetterbericht verschlimmerten sich die Prognosen.

Die voraussichtliche Zugbahn lag irgendwo zwischen St. Vincent und Grenada. Viele Inseln gaben Warnungen für ihre Bewohner aus, denn niemand wusste genau, welche Zugbahn Beryl nehmen würde. Barbados, St. Lucia, St.Vincent & die Grenadinen, Grenada & Carriacou und Tobago gaben Hurrikan-Warnungen aus. Martinique und Trinidad veröffentlichten Sturmwarnungen.

Unsere Nachbarinsel Tobago rechnete also noch mit sehr starken Winden, während es bei uns in Trinidad mit geschätzten Maximalwerten von rund 60 km/h eher glimpflich aussah.

Gestern Abend sah es stark danach aus, dass Beryl sehr weit im Süden bleiben und vermutlich Carriacou oder Grenada treffen würde. Momentan hielt er noch ziemlich genau auf Tobago zu, aber es war ziemlich sicher, dass er etwas nach Norden abdrehen und uns nicht treffen würde.

Aber wir machten uns große Sorgen um einige unserer Freunde. Eine deutsche Freundin hat ein Haus in Carriacou und unsere französischen Freunde, mit denen wir vor zwei Wochen noch in Union Island Domino gespielt hatten, waren gerade mit ihrem Boot in Carriacou. Sie waren in der verzwickten Lage zu entscheiden, ob sie lieber in Carriacou bleiben und ihr Boot dort in den Mangroven vertäuen oder ob sie nach Grenada fahren sollten. Jede Entscheidung konnte die falsche sein.

Wie glücklich konnten wir uns schätzen, dass wir bereits in Trinidad in Sicherheit waren und keine solche Entscheidung treffen mussten.

Nachts um kurz vor 4 Uhr erreichten die Ausläufer Beryls Trinidad & Tobago. Während wir noch überhaupt nichts davon zu spüren bekamen, bekam Tobago einiges an Regen ab. Und um 7 Uhr fing es auch bei uns ordentlich an zu prasseln.

Um 9 Uhr war dann klar: Beryl würde genau über Carriacou ziehen. Die erwarteten Windgeschwindigkeiten waren nochmals hochkorrigiert worden. Die Amerikaner waren mit einem Flugzeug in den Sturm hinein geflogen und maßen eine Windgeschwindigkeit von 240km/h. Beryl wurde zu einem Hurrikan der Kategorie 4 und nahte mit großen Schritten. Welch ein Disaster!

Eigentlich hätten wir viele Arbeiten an unserer Silence zu erledigen gehabt, aber heute morgen stand uns nicht der Sinn danach. Wie gebannt verfolgten wir immer wieder das Regenradar von Barbados und sahen dabei zu, wie Beryl auf die kleinen Antillen zuhielt. Beryl nahm weiterhin Fahrt auf und rauschte schließlich tatsächlich mit 240km/h direkt über Carriacou.

Uns standen die Tränen in den Augen und wir bangten so sehr um unsere Freunde. Wir hatten seit dem Vorabend nichts mehr von den beiden gehört und wissen bis jetzt nicht, ob sie mit ihrem Boot in Carriacou geblieben oder nach Grenada gesegelt sind. Unserer deutschen Freundin geht es gut: sie ist momentan in Europa. Aber sie weiß momentan nicht, wie es um ihr Haus steht und was davon noch übrig ist. Welch schreckliche Ungewissheit.

Es gibt momentan auch noch keine offiziellen Berichte aus Carriacou, aber wir haben ein paar Fotos und Videos der Zerstörung gesehen. Hier ein Video auf YouTube:

Und nachmittags bekamen die Leute, die hier in der Marina bzw. in der Bucht vor Anker oder an Bojen lagen, die Auswirkungen ebenfalls zu spüren. Welch schreckliches Geschaukel und was sind wir froh, dass wir hier sicher und fest an Land stehen.

Wir sind so dankbar, dass es uns und unserer Silence gut geht und wir bangen und hoffen, dass das auch für unsere Freunde und all die Menschen in Carriacou gilt.

Das Wetter spielt nicht mit,…

…sondern durchkreuzt unsere Pläne. Bis Grenada hatte alles ziemlich gut geklappt. Ab und an mussten wir eine tropische Welle vorbei lassen, bevor wir weiter segeln konnten. Doch das hatten wir ja so eingeplant.

Vergangenen Freitag sah es nach einem guten Wetterfenster für den Törn nach Trinidad aus. Wir sahen zwar auf der Wettervorhersage, dass eine tropische Welle nach der anderen von den Kapverden loszog, aber Freitag sollte eine kurze Pause sein. Am Donnerstag war das Wetter auch ganz ok, es gab aber immer mal wieder Schauer und für Freitag sah der Wetterbericht ein ganzes Stück besser aus. Also es ist gesetzt: Freitags geht es weiter nach Trinidad.

Tja, doch dann änderte sich der Wetterbericht am Freitag morgen und kündigte an, dass die nächste tropische Welle schon früher in der Karibik ankommen und Freitag Nacht zwischen Trinidad und Grenada durchziehen würde. 

Das wäre ja nicht weiter schlimm gewesen, hätten wir unsere Abfahrt dann einfach etwas nach hinten verlegen und nach dieser tropischen Welle fahren können. Doch da kam leider schon die nächste und die übernächste. Der Wetterbericht sagte für Freitag Nachmittag bis Mittwoch viel Wind, hohe Wellen und mächtig Regen voraus. Kein Wetter, bei dem man bewusst die Leinen loswirft, um 80 Seemeilen durch die Nacht zu segeln.

 

Denn leider sollten wir dieses Mal über Nacht segeln. Zwischen Grenada und Trinidad & Tobago herrscht immer irre Strömung, die teilweise von der Seite und teilweise von vorne kommt. Und manchmal dreht sie sich auch lustig im Kreis. Deshalb war es sehr schwer vorherzusagen wie lange wir für den Törn brauchen würden. Normalerweise schätzen wir konservativ mit 5-6 Knoten, das wären also 14-16 Stunden. Nicht im Hellen machbar. Doch zum einen wollten wir nicht vor Sonnenaufgang zwischen den vielen Riffen Grenadas hinaus segeln und zum anderen wollten wir auf keinen Fall nach Sonnenuntergang in Trinidad ankommen, weil wir dort noch nie gewesen waren und die Einfahrt in die Bucht nach Chaguaramas nicht kannten. Und deshalb war es am besten, abends vor Sonnenuntergang Grenada zu verlassen, so dass wir irgendwann im Laufe des Vormittags Trinidad erreichen würden.

Das war alles ein knappes Höschen, denn vor Mittwoch los zu segeln war laut Wetterbericht nicht ratsam. Denn dann kämen wir erst Donnerstag vormittags an und freitags um 8 Uhr stand schon unser Termin auf der Werft an. Naja, wird schon klappen!

Nach mehreren Tagen mit heftigen Schauern, die uns teilweise auch nachts des öfteren wach hielten, klarte es am Dienstag abend tatsächlich schon etwas auf und am Mittwoch morgen schien wieder die Sonne. Der Wetterbericht hielt was er versprochen hatte und so klarierten wir morgens aus, machten unsere Silence in Ruhe startklar, aßen ein frühes Abendessen und holten um 17:30 Uhr den Anker hoch.

Wir ließen Grenada recht zügig hinter uns, liefen bei ca. 15-17 Knoten Wind etwas mehr als 6 Knoten. Das sah super aus! Doch natürlich sollte das nicht so bleiben. Relativ bald setzte eine starke seitliche Strömung ein, teilweise mussten wir mehr als 30 Grad vorhalten! Das heißt, wir wollten eigentlich einen Kurs von 178 Grad fahren und um das zu erreichen musste unsere Silence nach 147 Grad fahren. Wahnsinn! Aber wir kamen immerhin noch mit ca. 5 Knoten gut voran, also außer etwas Seekrankheit meinerseits aufgrund der durch die starken Strömung recht kabbeligen See, kein Problem!

Leider wurde mir dann doch irgendwann so übel, dass ich mich etwas aufs Ohr hauen musste. Ich schlief, mit kleinen Unterbrechungen durch an den Rumpf krachende Wellen, zwei Stunden und übernahm um 22 Uhr die nächste Wache.

Wir fuhren mit eingeschaltetem AIS (Automatic Identification System, welches unsere Daten an andere Boote im Umkreis überträgt und auch die Daten dieser Boote empfängt) und ich überprüfte alle 15 Minuten, ob dort irgendwelche anderen Verkehrsteilnehmer angezeigt werden. Und tatsächlich hatte ich plötzlich einen anderen Segler auf dem Bildschirm, der genau auf unserem Kurs ein paar Meilen vor uns war. Sicherheitshalber weckte ich Kai kurz bevor wir den Segler erreichten und zusammen fielen wir etwas von unserem Kurs ab, um das andere Boot zu überholen. Leider taten wir dies in Schneckenfahrt. Denn mittlerweile hatte sich die Strömung wohl auch noch leicht gegen uns gedreht und wir segelten nur noch mit 3,5-4,5 Knoten. Das war für unsere Planung etwas langsam, aber wir hofften, dass es nochmal besser werden würde.

Doch als wir in die Abdeckung von Tobago kamen, wurde leider der Wind schwächer. Zusammen mit der starken Strömung keine gute Kombination. Mittlerweile liefen wir teilweise unter 3 Knoten, also viel zu langsam, um morgens in Chaguaramas anzukommen. Also refften wir aus: wir setzten unser Großsegel ins 1. Reff und fuhren mit voller Genua. Das brachte fast einen ganzen Knoten Fahrt und wir segelten wieder mit 4,5 Knoten dahin. Immer noch langsam, aber nicht zu ändern.

Schon eine ganze Weile hatten wir in der Ferne diverse hell beleuchtete Ölplattformen gesehen und an einer davon führte unser Kurs sehr nahe vorbei. Irgendwie skurril mitten auf dem Meer diese hell erleuchteten mit diversen farbigen Lichtern gespickten Ungetüme zu sehen. An der Hibiscus-Plattform segelten wir in 1,5 Seemeilen Entfernung vorbei und hatten dann auch erst einmal den ganzen Frachtverkehr hinter uns gelassen.

Glücklicherweise frischte der Wind wieder auf, die Strömung ließ nach und wir liefen mit über 6 Knoten in Richtung Trinidad. Kurz nach Sonnenaufgang erblickten wir es in der Ferne. Bald hatten wir es geschafft. Jetzt noch durch die Einfahrt zwischen den Bocas, welche wunderschön grün vor uns aufragten und dann ging es hinein in die Bucht von Chaguaramas.

Mehr als 400 Seemeilen waren es von Antigua bis hierher gewesen und ich muss Kai ein Kompliment machen, dass er es trotz der widrigen Wetterverhältnisse geschafft hat, uns gänzlich ohne wüste Wetterkapriolen bis nach Trinidad zu navigieren.

Doch leider war es mit unserer Ankunft noch nicht geschafft, denn eine weitere Herausforderungen lag vor uns: das Einklarieren in Trinidad, welches sicherlich das komplizierteste Verfahren ist, das wir jemals miterleben durften.

Aber davon mehr im nächsten Beitrag.