Tag 8 – FKK Saison eröffnet

Langsam aber sicher wird es wärmer an Bord der Silence. Heute haben wir nach dem Duschen glatt „vergessen“, uns wieder was anzuziehen und haben uns splitterfasernackt aufs Deck gelegt, gelesen und uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen! Währenddessen hat uns unser bunter Spi mit gemütlichen 5 Knoten Richtung Antigua gezogen. Ach, kann Segeln schön sein! Heute Nachmittag haben wir zusammen einen Kuchen nach einem Rezept einer befreundeten Seglerin aus Australien gebacken. Es handelt sich um einen „Carrot Cake“ mit folgender, meiner Ansicht nach etwas schrägen, Zutatenliste: Mehl, Eier, brauner Zucker, Karotten, Sultaninen, Ingwer, Muskatnuss, Backpulver und Mandeln. Mal sehen, ob er schmeckt, wir werden ihn erst morgen zum Frühstück probieren. Da fällt mir ein: hat schon mal jemand von Euch versucht, an Bord einer Yacht im Seegang mit einer elektronischen Küchenwaage kleine Mengen abzuwiegen? Das ist wirklich lustig, denn die Anzeige springt locker um +/-100g, selbst wenn man nur 50g auf der Waage hat :-).

Heute Abend hat der Wind pünktlich nach Sonnenuntergang in Böen wieder auf 5 Beaufort aufgefrischt. Um einer aus Osten „anrollenden“ Flaute zu entgehen, haben wir entschieden, den Spi für die Nacht stehen zu lassen, um maximale Fahrt zu machen. Leider, denn um 23 Uhr musste ich Andrea wecken, um das Segel zu bergen, weil es nun mit konstant 20 Knoten, in Böen bis 23 blies. Wieder eine verdiente Freiwache beim Teufel…verdammt!

Da wir heute um 14 Uhr genau eine Woche auf See waren, hier noch eine kleine Zwischenbilanz:
Wir sind in dieser Woche 867 Seemeilen weit gekommen. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,16 Knoten. 1971 Seemeilen liegen noch vor uns. Bei gleichbleibender Geschwindigkeit würden wir noch 15,9 Tage benötigen, bis wir in English Harbour in Antigua einlaufen. Das wäre dann am 22. Januar, gegen Mittag. Seit „Leinen Los“ in Puerto Calero haben wir jeden Motor 7 Stunden lang laufen lassen, also im Schnitt 1 Stunde am Tag. Die meiste Motorzeit benötigten wir für Manöver (Segel setzen, bergen, reffen), ein paar Mal haben wir auch die Batterien nachgeladen, da die Sonne sich hinter Wolken versteckt hatte und unsere Solarpanels nicht wie gewünscht arbeiten konnten.

Drückt uns die Daumen, dass die nächsten beiden Wochen auch so gut und reibungslos verlaufen!

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Tag 7 – Auf und nieder, immer wieder…

Der starke Passatwind von gestern hat immer weiter abgeflaut, bis am Abend nur noch 3-4 Beaufort übrig blieben. Die Wellen waren aber natürlich noch da, teilweise sehr konfus, mal kam eine von Süden, mal von Norden, die meisten von Osten oder auch Nordosten, nur von Westen haben wir zum Glück noch keine anrollen sehen. Durch die sich den ganzen Tag über verändernden Wetterverhältnisse, war das Segeln heute ein Full-Time-Job. Angefangen haben wir nur mit dem Großsegel im 2.Reff, das stand noch von gestern. Dann haben wir die gereffte Genua dazugesetzt, die wir alsbald ausrefften. Als der Wind weiter nachließ, setzten wir das Groß ins erste Reff. Das klappte aber nicht sonderlich gut, denn wenn wir eine Welle absurften, waren wir so schnell, dass die Genua einfiel und schlug. Also haben wir unseren Spibaum gesetzt, um das Vorsegel ruhig zu stellen. Natürlich nahm der Wind noch weiter ab, so dass nun auch das Groß anfing zu schlagen. Ich bastelte daher etwa eine Stunde lang an einer Konstruktion (für Segler: ich habe einen improvisierten Baumniederholer über die Achterklampe geführt, um den Baum möglichst weit unten und außen zu fixieren), die dann auch prima funktionierte – etwa 5 Minuten lang. Der Wind war mal wieder weniger geworden, so daß wir beschlossen, das Groß ganz zu bergen :-). Eigentlich hätten wir nun gerne unseren Spi gesetzt, aber inzwischen war es Abend geworden und wir maßen in Böen immer noch knapp 20 Knoten Wind, so dass uns dies doch zu mutig erschien. Also gut, dachten wir, dann lassen wir eben nur die ausgebaumte Genua stehen, schalten Wind- und Radaralarme ein und gehen einfach schlafen! Aber auch das war nur ein kurzer Spaß, denn immer wieder gingen irgendwelche Alarme los und sogar ein Schiff kam vorbei, das hatten wir schon seit ein paar Tagen nicht mehr! Um 4 Uhr in der Früh, nachdem ich unzählige Male aus dem Bett ins Cockpit oder zum Navigationstisch geschlurft war, um nachzuschauen, welcher Alarm diesmal losgegangen war, übernahm Andrea eine Wache, so dass ich endlich 4 Stunden durchschlafen konnte. Eigentlich hatte uns ja die Segelei genügend auf Trab gehalten, aber leider hatten wir zusätzlich noch Ärger mit unserer Ausrüstung: als wir einen der Motoren einschalteten, um unsere Batterien mal wieder so richtig voll zu laden, kam das Schiff plötzlich gewaltig vom Kurs ab. Zuerst dachte ich, ich hätte vergessen auszukuppeln, dann dachte ich, die Kupplung wäre defekt. Aber nein, nichts von alledem war der Fall. Nach einigem Überlegen und Probieren hatten wir herausgefunden, dass sich der Kurs, den der Autopilot vom Fluxgate-Kompass (der heißt wirklich so :-)) bekommt, abhängig von der Motordrehzahl ändert! Ein tolles neues Feature: ich kann das Boot mit dem Gashebel des ausgekuppelten Motors steuern! Zum Glück hat uns Michel vorgewarnt, dass das ab und an passieren könnte und eigens für diesen Zweck einen Supermagneten an Bord, mit dem man dem Fluxgate-Kompass eine Gehirnwäsche verpassen kann :-). Danach ging es dem Patienten schon wieder viel besser, die Abweichung beträgt nun zwischen Standgas und Vollgas nur noch zwei oder drei Grad. Muß ich mal danach schauen, wenn wir in der Karibik angekommen sind…

Auf dem Speiseplan standen übrigens Gnocchi mit einer sehr leckeren Paprikasoße, die Andrea selbst gemacht hat. Leider haben wir es immer noch nicht geschafft, unsere Angel zu aktivieren. Wir versprechen aber, dass wir das heute tun werden, so dass wir vielleicht morgen schon über unseren Fang berichten können :-).

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Tag 6 – Wild West

Tatsächlich haben wir es geschafft, unsere Tagesetappe nochmals zu steigern: heute 140 Seemeilen! Allerdings war das auch ein wilder Ritt gen Westen, denn der starke Wind hat natürlich auch hohe Wellen mitgebracht. Zwischenzeitlich war uns nicht mehr ganz klar, ob wir unsere Fahrt aufgrund des Windes machten, oder dadurch, dass wir eine Welle nach der anderen absurften! Das Surfen mit unserem „Wohnmobil“ machte natürlich zumindest eine zeitlang riesigen Spass, vor allem, wenn wir per Hand steuerten (normalerweise fahren wir immer unter Autopilot). Die täglichen Aufgaben, wie Kochen, Essen, Duschen, Lesen wurden dann aber recht anstrengend. Ihr müsst Euch einfach vorstellen, ihr würdet auf dem Jahrmarkt in der „Krake“ (wer kennt sie nicht?) sitzen und müsstet all diese Dinge erledigen! Man weiß eigentlich nie, wo man seinen Fuß wieder absetzen wird, wenn man mal mutig genug war, ihn anzuheben. Dadurch wird eine simple Aufgabe, wie eine Packung Spaghetti vom Schrank zum Herd zu tragen, bereits zur schwierigen Herausforderung. Wir haben festgestellt, dass es am besten ist, sich nicht zu viele Gedanken zu machen, in welcher Reihenfolge man etwas tun möchte. Einfach mal loslaufen und schauen, wo einem die Füße hintragen, ist im Prinzip das Beste! Hm, der Spruch könnte auch von Lao-Tse sein ;-).

Trotz der recht aufgewühlten See fühlen wir uns wohl hier draußen, umgeben von nichts als Wasser, Wind und Himmel. Hie und da zieht eine Seeschwalbe ihre gewundene Bahn an den Wellenkämmen entlang. Man könnte ihnen stundenlang zuschauen, aber leider sind sie immer ebenso schnell wieder weg, wie sie aufgetaucht sind. Auch sie scheinen sich in dieser Wasserwüste wohl zu fühlen, alleine, weitab von Land und Artgenossen. Aber keine Angst, wir freuen uns schon auch sehr darauf, in der Karibik anzukommen!

Ihr habt Euch sicher schon gefragt, was wir während der langen Nachtwachen machen, um uns die Zeit zu vertreiben. Andrea liest natürlich viel und ich habe vor ein paar Tagen angefangen, Musik zu hören. Ich setze mich dann draußen an den Steuerstand, lasse mir den Wind um die Nase pfeifen und spiele Luftgitarre, Luftschlagzeug und sogar bei Lufttrompete hab‘ ich mich schon erwischt :-). Ich bin gerade dabei, die perfekte Playlist dafür auszuarbeiten. Hier ein kleiner Ausschnitt (Interpret – Album – Titel: Kommentar):

Eric Clapton & Steve Winwood – Live from Madison Square Garden – Cocaine: Unglaublich die beiden, das muß ein geniales Konzert gewesen sein! Allein das Albumcover im Flower-Power Stil ist den Kauf schon wert…
Velvet Underground Live With Lou Reed – 1969 Volume 1 – What goes on: Wer da die Füße still halten kann…der hält sich wahrscheinlich die Ohren zu, weil er einen komplett anderen Musikgeschmack hat als ich 🙂
The Jimi Hendrix Experience – Electric Ladyland – Voodoo Chile: Der kam halt echt von einem anderen Stern, der Jimi. Bei diesem Song übrigens an den Keys kein anderer als Steve „Stevie“ Winwood!
Joe Cocker – Live – With a little help from my friends: Wer das Original von den Beatles kennt (übrigens einer der wenigen Songs, die Ringo gesungen hat), weiß, was Joe Cocker drauf hat. Schon beim Intro zu diesem Song kann ich mich gar nicht entscheiden, welches „Luftinstrument“ ich denn nun zuerst übernehmen soll…
Trombone Shorty – Backatown – Hurricane Season: nicht dass ihr denkt, ich höre nur die ollen Kamellen: ich habe Trombone und seine Jungs mal in der alten Feuerwache in Mannheim gesehen. Die hatten das ausverkaufte Haus damals förmlich weggeblasen. Schon nach den ersten paar Takten gingen die Zuschauer dermaßen mit, als ob sie seine Zombie-Marionetten auf Speed wären. Ein Tipp für alle, die es jazzig mögen!

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