4 Jahre „auf See“

Am 16. Juni war es vier Jahre her, dass wir unser Leben in Deutschland hinter uns ließen und auf unsere Silence zogen. Wir haben seither viel erlebt, doch das vergangene Jahr zählte sicherlich nicht zu unseren glücklichsten Jahren.

Als ich unseren Bericht zum Dreijährigen schrieb, waren wir gerade in Bequia und betrauerten den Tod eines unserer engsten Seglerfreunde. Rob war im Mai 2016 an einem Herzinfarkt gestorben und wir halfen seiner Freundin Jen mit allen möglichen administrativen Dingen und leisteten ihr in dieser schweren Zeit einige Wochen Gesellschaft. Der Tod von Rob traf uns schwer. In unserem neuen Leben ist es nicht leicht Freunde zu finden. Da wir Segler alle Nomaden sind, hat jeder andere Pläne und nur selten überschneiden sich diese. Außerdem trifft man recht wenig Leute in unserem Alter und die meisten „Fahrtensegler“ leben nur die Hälfte des Jahres auf ihrem Boot und die andere Hälfte verbringen sie in der Heimat. So waren wir überglücklich in Rob & Jen ein Pärchen gefunden zu haben, die ebenfalls ganzjährig auf dem Boot leben, die etwa in unserem Alter sind, mit denen wir uns super verstehen und Rob war sogar Kitesurfer. Rob und Jen waren Ende April 2016 von Antigua weggefahren und wir wollten uns Anfang Juni wieder in Union Island treffen. Doch im Mai erhielten wir von Jen die Nachricht, dass Rob in Bequia an einem Herzinfarkt gestorben sei. Wir konnten es einfach nicht fassen!

Zum ersten Mal wurde uns auch so richtig bewusst, wie schlecht teilweise die medizinische Versorgung hier in der Karibik ist. Rob war noch in Bequia zum Arzt gegangen und hatte über Herzschmerzen geklagt. Der Arzt hatte auf Sodbrennen getippt. Doch als Rob nicht locker ließ machte er zur Sicherheit noch ein EKG. Hier stellte er einen sehr unregelmäßigen Herzschlag fest und schloss daraus, dass etwas mit seinem Gerät nicht stimmt und verschrieb Rob Tabletten gegen Sodbrennen. Da die Apotheke diese nicht vorrätig hatte, musste Rob am Nachmittag nochmal vorbeikommen. Doch auf dem Weg in die Apotheke starb er dann im Dingi an einem Herzinfarkt!

Wir brauchten Monate um halbwegs über Robs Tod hinwegzukommen und das mulmige Gefühl bezüglich der medizinischen Versorgung hier in der Karibik werden wir wohl nie mehr los. Wir können nur hoffen, dass wir nie ernsthaft krank werden und schnell einen guten Arzt benötigen.

Gegenüber diesem schrecklichen Ereignis klingt natürlich alles andere wie Nebensächliches, aber dennoch war es nicht schön, als ein paar Wochen später mein iPad den Geist aufgab, unser Inverter abrauchte und ich unseren 11er Kite zerlegte. Wo sollten wir nun auf die schnelle einen neuen Inverter, ein neues iPad und einen neuen Kite zu halbwegs akzeptablen Preisen bekommen?

Im September kam dann die stressige Zeit mit Hurrikan Matthew. Lange war nicht klar, ob sich bereits vor den karibischen Inseln ein Hurrikan bilden würde, wohin er zieht, wann er kommt, usw. Wir bangten eine ganze Woche, hatten Angst mit dem Verbleiben in Grenada die falsche Entscheidung getroffen zu haben und befürchteten, dass wir eventuell unser Boot verlieren könnten. Das war eine unglaublich nervenaufreibende Zeit und ich kann die Erleichterung, die wir verspürten als alles vorüber war auch heute noch nicht in Worte fassen. Es war einer der wenigen Momente in unserer 22jährigen Beziehung, dass ich Kai weinen sah.

Als wir uns wieder auf dem Weg nach Norden machten, wollten wir uns in Carriacou mit Bekannten treffen, die dort einen Tauchshop haben. Georg war ursprünglich aus Worms, hatte einige Zeit in Sandhausen gelebt und wir konnten mit ihm wunderbar in unserem Dialekt quatschen. Er und seine Freundin Connie lagen total auf unserer Wellenlänge und Georg hatte uns zum Wiedersehen einen leckeren deutschen Käskuchen versprochen. Doch leider gab es kein Wiedersehen, denn als wir in Carriacou ankamen erfuhren wir, dass Georg im Krankenhaus sei. Eine Woche zuvor wurde bei ihm Krebs diagnostiziert und die Metastasen hatten bereits im ganzen Körper gestreut. Das war für uns unbegreiflich, denn noch sechs Wochen zuvor waren die beiden bei uns zum Abendessen und es ging Georg noch gut. Welch ein Schock!

Connie flog dann zur weiteren Behandlung mit ihm nach Deutschland, doch leider war der Krebs schon so weit fortgeschritten, dass nicht mehr viel zu machen war und Georg im Januar verstarb.

Und damit verloren wir einen zweiten sehr netten Freund!

Zurück in Union Island kamen ständig Tropical Waves vorbeigezogen, die teilweise Wind aus Süden und Westen mit sich brachten. Ständig lief der Schwell in die Ankerbucht und einmal mussten wir sogar die Bucht wechseln, weil es am Frigate Rock nicht aushaltbar war. Wir schliefen schlecht und waren gestresst.

Ende November machten wir uns auf den Weg nach Norden, weil wir spätestens Mitte Dezember in Antigua sein wollten. Doch bei der Abfahrt von Union Island streikte einer unserer Motoren. Nach Behebung des Problems segelten wir nach Bequia, wo unsere Ankerwinsch anfing zu streiken.

Bei der Ankunft in Martinique gab die Ankerwinsch endgültig ihren Geist auf und ein paar Tage später hatten wir die Horrornacht, in der in strömendem Regen und Wind unser Anker rutschte, weil er sich in einer alten Kette verfangen hatte und wir ihn per Hand hochziehen und losbekommen mussten. Nach dieser Aktion waren Kai und ich mit den Nerven endgültig am Ende. Wir waren ganz knapp davor unsere Silence einem Broker zum Verkauf zu übergeben und in den nächsten Flieger nach Hause zu steigen. Doch irgendwie siegte dann doch wieder der Wille zum Durchhalten.

Doch dieser sollte weiterhin auf eine harte Probe gestellt werden. Zuerst platzte unser Expansionstank der Wasserpumpe und wir mussten einiges ausräumen und trocknen. Dann roch es in unserer Kabine plötzlich furchtbar modrig, weil eine Relingstütze undicht war und Wasser von außen ins Boot lief. Es galt einige total verschimmelte Bücher zu entsorgen, Deckenverkleidungen sauber zu machen und wieder alles zu trocknen.

Unglücklicherweise hingen wir in Martinique fest, weil der neue Kite, den wir in Deutschland bestellt hatten, einfach nicht ankam. Er sollte 2-3 Wochen Lieferzeit haben und war nach 5 Wochen immer noch nicht angekommen. Unsere Nerven lagen blank. Somit wurde es dann auch nichts mit Weihnachten in Antigua.

Am 6. Januar verließen wir dann endlich Martinique (ca. einen Monat später als geplant) und hatten natürlich für die gesamte Strecke höllisch viel Wind. Teilweise blies es in den Kanälen mit mehr als 30 Knoten und wir waren mehr als froh, als wir endlich in Antigua ankamen.

Und dort begannen wir dann gleich mit unserem großen Wassermacher-Projekt, das uns auch ganz schön viele Nerven kostete.

Alles in allem war das vergangene Jahr einfach zu stressig für uns und wir bewegten uns mittlerweile am Rande des Wahnsinns. Wegen der kleinsten Kleinigkeiten gingen wir beide in die Luft und lautstarke Streits waren fast schon an der Tagesordnung. Wir konnten beide nicht mehr und näherten uns wieder immer mehr dem Punkt, dass wir das Boot und alle damit verbundenen Probleme am besten so schnell wie möglich loswerden sollten. Doch was dann?

Um nichts zu überstürzen überredete ich Kai dann erst einmal zu einem „Urlaub“ in Barbuda. Wir nahmen uns vor, während unseres Aufenthalts in Barbuda nicht am Boot zu arbeiten und mal den ganzen Tag nur das zu machen, wozu wir gerade Lust hätten. Also richtig Urlaub machen.

Was soll ich sagen: es hat geklappt, denn auch unsere Silence spielte mit und bescherte uns keine größeren Reparaturen. Wir hatten eine wunderschöne Zeit in Barbuda und unser Stresslevel kam um einiges runter.

Doch leider ist nun auch bald die beste Zeit des Jahres schon wieder vorbei und in ca. zwei Wochen müssen wir uns wieder für die kommende Hurrikan-Saison auf den Weg nach Süden machen und dort auch mal wieder auf die Werft gehen. Mal sehen wie lange unsere Erholung mit diesem Programm vorhalten wird 🙂

Ein Gedanke zu „4 Jahre „auf See“

  1. Schon 4 Jahre! Der Wahnsinn wie die Zeit vergeht! Mir ist die Zusammenfassung Eures letzten Jahres ganz schön unter die Haut gegangen. Zwar lebt Ihr Euren Traum, der sieht aber bei weitem nicht immer so traumhaft aus. Und aus dem Traum sollte am Ende aber auch kein Alptraum werden! Ich wünsche Euch zur Abwechslung mal ruhige Zeiten, keine Reparaturen, und keine schlechten Nachrichten.

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