Der Flagstaff Hill ist ein 350m hoher Berg, von dem aus man eine tolle Aussicht auf die Man-o-War Bay vor Charlotteville und einige vorgelagerte Inseln am obersten Nordzipfel von Tobago hat. Dieser Hügel ist eine Besonderheit, weil er bereits früher ein militärischer Aussichtspunkt war und deshalb alles abgeholzt wurde. Es gibt zwar auf Tobago noch höhere Berge, doch man hat wohl von keinem solch einen schönen Ausblick.
Ursprünglich hatte ich geplant, dass wir mit dem Route-Taxi bis zur Abzweigung fahren und von dort aus auf der geteerten Straße bis zum Flagstaff Hill laufen. Doch Kai entdeckte im Internet, dass es auch einen Fußweg durch den Regenwald gibt und das klang doch wesentlich schöner als eine asphaltierte Straße.
Und so marschierten wir einnmal quer durch Charlotteville und gefühlt fast senkrecht den Berg hinauf zum Beginn des Pfades. Als wir die letzten Häuser hinter uns ließen, hatten wir schon mindestens die Hälfte der Höhe geschafft und schwitzten ganz schön. Und kaum war das letzte Haus außer Sicht, als wir auch schon mitten im Dschungel standen. Das ist hier einfach unglaublich!
Der Weg war zu Anfang ziemlich breit und so kamen wir gut voran. Am Wegesrand entdeckten wir immer mal wieder neue Blumen und Bäume. Wir kamen an ein paar Ziegen vorbei, sahen und hörten kleine grüne Papageien und unzählige andere Vögel. Es gab wunderschöne Schmetterlinge und wir sahen sogar eine kleine Fledermaus. Auch Mango- und Avocadobäume standen immer mal wieder am Wegesrand und wir lasen ein paar davon auf und verstauten sie in unserem Rucksack.
Nach ca. 1 1/2 Stunden gab es einen Abzweig, von dem ein schmalerer Weg etwas steiler auf den Hügel hinauf führte. Die ganze Zeit krächzten über uns die Papageien und die Grillen zirpten manchmal so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. So gingen wir noch ca. 1/2 Stunde und dann lichtete sich das Dickicht und wir standen auf dem Flagstaff Hill.
Die Aussicht war wirklich toll. Auf der einen Seite konnten wir auf Giles Island schauen und auf der anderen in die Man-o-War Bay. Wir aßen unter einem kleinen Pavillon unsere mitgebrachten Sandwiches und genossen die Aussicht. Und plötzlich flogen ein paar fasanenähnliche Vögel von einem Baum zum anderen. Was war das denn? Sollten das etwa Cocricos, die Nationalvögel Tobagos sein? Schnell schauten wir im Internet nach, wie dieser aussieht. Und tatsächlich, wir hatten gerade Cocricos gesehen. Super!
Eine 3/4 Stunde später machten wir uns auf den Rückweg und standen um Punkt 12 Uhr wieder an dem Abzweig. Hm, eigentlich waren wir beide noch fit und es war ja auch noch sehr früh. Da könnten wir doch auch dem Weg weiter folgen und auf die andere Seite Richtung Speyside wandern, um nicht den gleichen Weg zurück zu gehen. Guter Plan, los geht’s!
Der Weg war ca. 1/2 Stunde lang so breit wie bisher, doch dann wurde er immer schmaler. Teilweise ging es durch schulterhohe Büsche oder unter Helikonien hindurch, die dicht wie ein Tunnel über uns zusammenwuchsen. Wir waren begeistert!
Dann ging es etwas steiler bergab und der Weg wurde noch abenteuerlicher. Wow, war das toll!
Nach insgesamt ca. 1 1/2 Stunden kamen wir an einen kleinen Bach und hier hörte der Weg völlig abrupt auf. Ach je, was nun? Einfach dem Bach folgen und hoffen, dass der Weg irgendwo weitergeht? Oder umkehren und uns den steilen Pfad wieder hinauf kämpfen? Ich plädierte eindeutig für Variante 1, denn mittlerweile war ich doch etwas k.o. Und für einen Weg, für den wir bergab 1 1/2 Stunden gebraucht hatten, würden wir bergauf sicherlich mehr als zwei Stunden benötigen. Und dann wären wir ja erst an unserem Abzweig und müssten auch noch den Weg zurück nach Charlotteville gehen. Nein, eindeutig: wir folgen dem Bachlauf!
Mittlerweile hatte Kai auch sein Handy gezückt und per GPS und Karte geschaut, wo wir momentan waren. Luftlinie waren es noch 2km bis in die Anse Brisant, in der wir ja von der anderen Seite schon mal gewesen waren. Somit wussten wir sicher, dass es ab dort wieder einen breiten Fußweg gibt. Aber 2km durch den Regenwald ohne Pfad, in oder am Rand eines Bachbetts, über umgefallene Bäume und Bambus, das kann sich ganz schön ziehen. Wir liefen ca. 20 Minuten und hatten nur rund 300m Luftlinie gut gemacht. Au weia, wenn das so weiterging, würden wir noch ganz schön lange unterwegs sein! Aber umgedreht wird jetzt nicht mehr, zumal wir an manchen Stellen immer mal wieder umgeknickte Hölzer und Anzeichen eines Pfades erkennen konnten. So liefen wir immer weiter am Flüsschen entlang und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wir uns freuten, als wir irgendwann eine leere Styroporpackung und kurz später eine leere Plastikflasche sahen. Eindeutig, hier waren vor nicht allzu langer Zeit andere Menschen vorbei gekommen, also musste der Bach irgendwo an einen Weg führen.
Und so war es dann auch. Urplötzlich machte er eine kleine Biegung und wir standen vor einem Bananenfeld, von dem ein breiter Weg aus dem Regenwald hinaus führte. Ihr könnt euch unsere Erleichterung sicherlich vorstellen. So gingen wir frohen Mutes auf dem Weg weiter und kamen auf eine Lichtung, auf der das Gras fast bis über unsere Köpfe wuchs. Das war atemberaubend schön!
Und hier hörten wir auch schon das Meer und kurz darauf standen wir am Rande einer kleinen Bucht, die auf unserer Karte mit Anse Gouleme verzeichnet war. Dies war die Nachbarbucht zur Anse Brisant und wir dachten aufatmend, dass es nun höchstens noch 1/2 Stunde bis zur Straße in Speyside ist.
Doch leider hatten wir nicht einkalkuliert, dass wir von dieser Bucht erst einmal über den Kamm in die Anse Brisant laufen mussten. Und dort ging es auch wieder hinunter in die Bucht und danach über den nächsten Kamm in die Anse Bateau. Und das teilweise in der prallen Nachmittagssonne! Ich war so froh, als ich auf dem letzten Kamm ankam und wusste, dass es nun nur noch bergab geht.
So kamen wir dann wieder in der Anse Bateau auf die asphaltierte Straße, wo wir in einem Hotel nochmals ein paar Cocricos sahen und auch zum ersten Mal die hier endemischen Rotschwanz-Eichhörnchen und Agutis.
Als letztes ging es wieder vorbei an der alten Zuckerrohrplantage und als wir gerade die Straße nach Charlotteville erblicken konnten, fuhr auch schon ein Route Taxi vorbei. Schnell sprinteten wir zur Straße und ließen uns völlig verschwitzt und erleichtert in den schönen klimatisierten Kleinbus fallen. Welch gutes Timing!
Um ca. 16:30 Uhr waren wir zurück in Charlotteville und gönnten uns in Nick’s Ice Cream Parlour jeder ein leckeres Eis. Dort gibt es so tolle Sorten wie Erdnuss, Guiness(!), Mango-Maracuja, … Ach, war das lecker!