Leider dauerte es dann doch mehrere Tage bis das Tiefdruckgebiet endlich über uns weggezogen war und sonntags sah die Wetterprognose endlich etwas besser aus. So beschlossen wir Montag morgen um 4 Uhr zu starten, damit wir die Strecke von etwa 100 Seemeilen größtenteils bei Tage zurück legen könnten. Wir gingen um 21 Uhr zu Bett und der Wecker klingelte um 3:30 Uhr. Doch als wir gerade aufgestanden waren, fing es an zu regnen. Na, welch ein Timing! Da würden wir beim Anker auf gehen klitschnass werden. Und ein Blick aufs Regenradar zeigte uns, dass noch mehrere Schauer nachfolgen würden. Selbst wenn wir also zwischen den Schauern Anker auf gehen würden, so würde uns der nächste bestimmt beim Segel setzen erwischen. Ach, das ist uns doch echt zu blöd, da gehen wir einfach wieder ins Bett und verschieben die Abfahrt.
Am Vormittag sah das Wetter dann deutlich besser aus und so beschlossen wir statt nochmal eine Nacht zu warten, lieber gleich am Nachmittag los zu segeln. Und so ging es dann um 16:30 Uhr los in Richtung St. Martin.
Wir waren noch keine halbe Stunde unterwegs, als auch schon ein Fisch anbiss. Super, das Abendessen war gesichert! Aber leider überlegte der Fisch es sich dann doch nochmal anders und ging uns beim Einholen vom Haken. Tja, somit gab’s dann eben doch Hotdogs zum Abendessen.
Ich war bereits um 19 Uhr, aufgrund des Intermezzos in der vorherigen Nacht, so müde, dass Kai die erste Wache übernahm. Leider schlief ich nicht sonderlich gut. Ich hatte mich auf einen wunderbar angenehmen Törn mit Wind und Welle von hinten gefreut, aber daraus wurde nichts. Das vorübergezogene Tief hatte uns schon die ganze letzte Woche ziemlich viel Wind aus Nordost beschert und somit hatten wir auch ziemlich Wellen aus Nordost. Das bedeutete weder Wind noch Wellen kamen von hinten, sondern fast von der Seite. Und somit klatschten die Wellen nun die ganze Zeit genau seitlich gegen unseren Rumpf. Welch ein Radau, da kann doch kein Mensch schlafen!
Aber irgendwie schlief ich schließlich doch ein, mit meinem Kissen unter und Kais Kissen über dem Kopf. Um Mitternacht weckte mich Kai mit aufgeregten Rufen. Ein Segler kam uns direkt entgegen und kreuzte vor uns auf. Jeder Mal wenn Kai sich gerade sicher war, in welcher Richtung der andere fuhr, änderte dieser wieder den Kurs. Nachts ist so etwas wirklich kein Spaß, denn das einzige was man sieht sind die Postionslichter des anderen Bootes. Rot an Backbord, grün an Steuerbord und weiß am Heck. Und mit diesen Angaben muss man sich dann räumlich vorstellen welche Seite das Boot einem zeigt und somit wo es herkommt und wo es hinfährt.
Normalerweise haben wir noch das AIS (automatische Identifikationssystem), welches uns einige Daten über die anderen Boote liefert, wie z.B. Art des Schiffs, Länge, Geschwindigkeit, Kurs, CPA (wie nahe er uns kommen wird), TCPA (wann er am dichtesten bei uns vorbei kommen wird),… Doch da ja unser Funkgerät kaputt war, hatten wir alle diese Daten nicht und mussten somit die Postionslichtern lesen.
Jedes Mal wenn Kai glaubte zu wissen wo der andere Segler hinfuhr, wendete dieser und kreuzte erneut unseren Weg. Ja Donnerwetter nochmal, hat dieser Idiot denn noch nichts von Kurshaltepflicht gehört?! Wenn sich zwei Boote einander nähern und auf dem jeweiligen Kurs aneinander vorbei kommen, dann hat man den Kurs so lange beizubehalten bis man aneinander vorbei ist. Und wenn man nicht aneinander vorbei kommt, dann hat einer der beiden nach festgelegten Regeln auszuweichen. Wie aber soll man jemandem ausweichen, der ständig den Kurs ändert und im Zickzack genau auf einem zuhält?
Kai war verzweifelt, denn mittlerweile war das andere Boot verdammt nahe. Während Kai steuerte, schnappte ich mir das Fernglas und versuchte in der stockfinsteren Nacht auszumachen was das andere Boot trieb. Nun sahen wir ein rotes Licht von links genau auf uns zukommen, doch ich war der Meinung, dass er genau hinter uns vorbei gehen würde. Aber sicher war ich nicht. Würde es wirklich reichen? Mal sah es so aus, mal wieder nicht! Sollten wir nach Steuerbord (rechts) weg halsen oder lieber den Kurs beibehalten? Für ein paar Minuten rasten unsere Herzen und wir hielten fast die Luft an. Wir machten uns innerlich bereit für das Manöver des letzten Augenblicks. Dann war das Boot in einer Entfernung von ca. 50m hinter uns vorbei gezogen. Meine Güte, welche Aufregung!
Da Kais Schicht eigentlich schon längst zu Ende gewesen wäre, schickte ich ihn zu Bett und übernahm die nächste Nachtwache. Und die hatte es auch ganz schön in sich. Vor mir kam ein großer Regenschauer heran gezogen. Der Himmel wurde tiefschwarz und die Sterne verschwanden. Natürlich nahm auch der Wind zu und drehte etwas nach vorne. Wir hatten nun die ganze Zeit zwischen 18 und 23 Knoten auf unserer Anzeige, ich holte die Segel dichter und rauschte mit zwischen 8 und 9 Knoten durch die tiefschwarze Nacht. Die Wellen krachten in unsere Silence, das Geschirr schepperte im Schrank und alles knarzte und quietschte. Die riesige Wolke nahm kein Ende und nach ca. einer Stunde kam Kai nach oben, weil er bei dem Lärm einfach nicht schlafen konnte. Außerdem würden wir bei dieser Geschwindigkeit viel zu früh in St. Martin ankommen. Eigentlich hatten wir unsere Abfahrt so gelegt, dass wir kurz nach Sonnenaufgang ankämen, bei diesem Tempo würden wir jedoch im Dunkeln ankommen. Damit das nicht passiert und damit Kai auch etwas ruhiger schlafen kann, setzen wir nun auch noch das Großsegel ins 2. Reff. Das war besser, denn nun liefen wir rund einen Knoten langsamer, also zwischen 7 und 8 Knoten.
Kai ging nochmal ins Bett und ich hielt die Stellung. Normalerweise betreiben wir während unserer Nachtwache immer etwas Powernapping. Doch daran war dieses Mal nicht zu denken. Der Wind ging ständig hoch und runter und es tauchten immer mal wieder Positionslichter in der Ferne auf. Ohne AIS war schwer auszumachen wo die Kreuzfahrtschiffe und Frachter genau hinfuhren und so beobachtete ich sie immer bis ich mir sicher war, dass sie uns nicht überfahren werden.
Irgendwann zogen die Lichter von St. Barths an unserer Steuerbord-Seite vorbei und kurz vor St. Martin nahm der Schiffsverkehr nochmal ordentlich zu. Ich weckte Kai und wir hielten zusammen Ausschau. Ein großes Kreuzfahrtschiff ging hinter uns vorbei, ein Frachter vor uns und ein Militärschiff hielt genau auf uns zu. Da wir ja aber unter Segel waren, hatten wir eindeutig Vorfahrt und so behielten wir unseren Kurs bei. Und auch das Militärschiff ging dann irgendwann knapp hinter uns vorbei. Sie hielten wohl alle auf den Hafen von Philipsburg zu.
So langsam wurde es hell und wir segelten im Sonnenaufgang an der Küste St. Martins entlang. Die kleine Insel besteht aus zwei Teilen. Das südliche autonome Land Sint Maarten gehört zum Königreich der Niederlande und der nördliche Teil Saint Martin ist Teil des französichen Überseegebiets. Wir wollten zur Baie Marigot, die im französichen Teil der Insel liegt und mussten somit einmal der Länge nach an Sint Maarten vorbei segeln.
Kaum im französichen Teil angekommen, begrüßte uns eine ganze Schule Delphine. Sie sagten allerdings nur ganz kurz Hallo, bevor sie weiterzogen. Wahrscheinlich hatten sie noch mehr zu tun bei den ganzen großen Schiffen die da um uns herumfuhren 😉
Um 7 Uhr kamen wir in Marigot an und suchten nach einem geeigneten Ankerplatz. Mein Güte, hier war ja ganz schön voll. Doch weiter drinnen entdeckten wir eine Lücke und als wir näher kamen, sahen wir, dass dort auch unsere französischen Freunde Vero & Patrice und davor ihr Sohn Hervé lagen. Und genau neben uns war ebenfalls ein alter Bekannter, den wir auf der Werft in Carriacou kennen gelernt hatten. Das ist ja schön, da fühlen wir uns gleich zu Hause.
Also Anker runter, Segel verstaut, gefrühstückt und dann nochmal ab in die Koje und zwei Stunden schlafen, damit wir wieder halbwegs fit und bereit zur Erkundung St. Martins sind.