Jedes Mal, wenn es am Ende der Wettervorhersage so aussah, als könnten wir in ein paar Tagen von St. Martin los segeln, änderte sich der Wetterbericht am nächsten Tag und es sah wieder gar nicht gut aus. Wir rauften uns die Haare, denn wir wollten so gerne zurück nach Antigua.
Doch wie ich in meinem letzten Bericht schon beschrieben hatte, gab es entweder sehr starken Wind aus Nordost oder schwächeren Wind aus Südost, also genau aus der Richtung, in die wir wollten.
Für Dienstag den 29. März sagte der Wetterbericht ebenfalls Südostwinde voraus, doch gegen Mittag sollte der Wind erst nach Ost und dann sogar nach Nordost drehen. In der Nacht sollte es dann allerdings einige Schauer geben, aber wenn wir auf das perfekte Wetterfenster warten würden, säßen wir eventuell noch zu Weihnachten hier in Marigot.
Also verabschiedeten wir uns Montag von unseren Bekannten und bereiteten uns auf die Abreise am Dienstag vor. Wir gingen allerdings erst morgens Ausklarieren, weil wir zu unsicher waren, ob das Wetter wirklich passen würde. Dienstag morgen sah dann doch alles ganz gut aus und so ging Kai zum Ausklarieren, was ja auf den französischen Inseln immer völlig schmerzfrei ist. Beim Schiffszubehörladen Ile Marine konnte er am Computer das Ausklarierungsformular ausfüllen, dieses wurde ausgedruckt und gestempelt und das war’s. Ich kaufte uns während dessen nochmal ein frisches Baguette beim Bäcker, dann frühstückten wir gemütlich und gegen 10 Uhr gingen wir Anker auf.
Es war in der Tat nicht allzu viel Wind, doch leider kam dieser wenige Wind aus etwas südlicherer Richtung als angekündigt. Und so segelten wir von St. Martin erst einmal in Richtung Saba. Als Saba vor uns immer größer wurde, wendeten wir und segelten nun in Richtung des östlichsten Zipfels von Sint Maarten. Leider drehte der Wind dann aber wesentlich früher auf Ost als angekündigt und wir segelten immer mehr zurück in die Richtung aus der wir gekommen waren. So ein Mist. Hätten wir das geahnt, wären wir einfach an Sint Maarten entlang motort anstatt stundenlang zu segeln.
Um ca. 14 Uhr hatte der Wind dann auf Nordost gedreht und wir konnten von unserer momentanen Position direkt Kurs auf Antigua nehmen. Super! Allerdings hatte es nur ca. 12 Knoten Wind und die Wellen kamen direkt von vorne. Und so dümpelten wir mit zwischen 2,7-4,4 Knoten Fahrt dahin. Das sind so die Momente in denen ich unser Segelboot gerne gegen ein Fahrrad eintauschen würde, denn damit wären wir schneller. Na ja, wir haben ja Zeit, Hauptsache wir sind in der richtigen Richtung unterwegs!
Kai übernahm um 21 Uhr die erste Wache, doch ich fand in unserer Kabine bei dem Geboller der Wellen einfach keinen Schlaf. Immer mal wieder döste ich kurz weg, nur um ein paar Minuten später wieder aufzuwachen, weil ich plötzlich nicht mehr auf unserem Bett lag, sondern darüber schwebte. Nach zwei Stunden gab ich auf und bot Kai an, dass er sich hinlegen kann. Ich setzte meine Kopfhörer auf, machte es mir an unseren Kartentisch bequem und hörte Musik. Wir waren größtenteils immer noch schrecklich langsam unterwegs, nur wenn ab und an mal der Wind kurz auffrischte, liefen wir 5 Knoten. Na ja, kann man nicht ändern!
Es war alles völlig unspektakulär, bis vor uns eine ziemlich große Wolkenwand auftauchte. Ein Regenschauer zog über uns hinweg, es nieselte kurz, der Wind ging etwas hoch und wir liefen zur Abwechslung mit mehr als 5 Knoten. Doch das war’s auch schon. Danach pendelte sich der Wind wieder bei 10-13 Knoten ein. So betrieb ich etwas powernapping und schaute alle 15 Minuten nach dem Rechten.
Gegen 1:15 Uhr tauchte vor uns erneut eine schwarze Wolkenwand auf. Ich nahm an, dass der Wind wieder etwas hoch gehen würde und blieb sicherheitshalber wach. Die Wolke kam und der Wind ging auf etwa 17 Knoten hoch. Es sah alles genauso aus wie beim letzten Schauer, war es aber leider nicht. Urplötzlich stieg der Wind. Innerhalb von ein paar Sekunden sah ich 18, 19, 22, 24 und dann 27 Knoten auf unserer Anzeige. Unsere Besegelung war nur für 27 Knoten ausgelegt, d.h. so konnten wir auf keinen Fall durch den Schauer fahren. Ich rief nach Kai, doch er war schon auf dem Weg nach oben. Im Schlafanzug stand er draußen, als es anfing zu schütten wie aus Kübeln. Der Wind war mittlerweile bei fast 30 Knoten und wir mussten abfallen (d.h. das Boot vom Wind weglenken und den Druck aus den Segeln nehmen). Mit Wind von hinten liefen wir dann mit mehr als 8 Knoten in die völlig falsche Richtung. Na super!
Der Regenschauer war eine riesige schwarze Wand. Wo ich vorher bereits die Lichter von Antigua gesehen hatte, war jetzt nur noch schwarz. Das konnte eine ganz schöne Weile dauern bis der Schauer durch war und wir wollten nicht Ewigkeiten mit Riesentempo in die falsche Richtung fahren. Und da für den ganzen Rest der Nacht Schauer angekündigt waren, beschlossen wir die Segel komplett runterzunehmen und unter Motor weiter zu fahren. Das klingt so einfach, ist es aber in solch einer Situation leider nicht. Denn um das Großsegel runter zu nehmen, müssen wir wieder in den Wind, d.h. wir haben wieder 30 Knoten direkt auf die Nase. Nicht schön, geht aber so am Besten. Wir waren mittlerweile völlig klatschnass und ich fror erbärmlich. So rannte ich schnell an unseren Schrank, holte unsere Regenjacken, zog die nassen Sachen aus, die Regenjacke an und dann konnte es weiter gehen.
Meine Güte, war das mal wieder eine Aktion. Doch glücklicherweise klappte alles wie am Schnürchen, Kai verstaute das Großsegel und dann nahmen wir unter Motor wieder Kurs Richtung Antigua.
Ich war mittlerweile hundemüde, doch in unserer Kabine bollerte es immer noch ganz schön. Und so legte ich mich im Salon etwas hin und schlief unter dem beruhigenden Brummen der Motoren auch sofort ein. Den Rest der Nacht gab es immer wieder Regenschauer. Auf unserer Windanzeige sahen wir alles zwischen 8 und 28 Knoten. Es war also die richtige Entscheidung gewesen die Segel runter zu nehmen.
Wir wechselten uns auf dem „Sofa“ ab und gegen 8:30 Uhr morgens lag endlich wieder blauer Himmel vor uns. So zogen wir unser Großsegel nochmal hoch, aber da nicht wirklich viel Wind war, ließen wir die Motoren an und kamen gegen10 Uhr in Jolly Harbour, Antigua an!
Yippeeh wir haben es geschafft!